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Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Titel: Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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hätte ich losgeschrien, dass mit mir keineswegs alles in Ordnung war. Dass nichts wieder in Ordnung sein würde, ehe ich nicht meine Hände um Johnsons Hals - seinen Hals, nicht Rose’ - legen und zudrücken konnte, bis ich auch den letzten Lebensfunken aus ihm herausgequetscht hatte. Ich wollte mein Messer ziehen und ihn aufschlitzen. Ich wollte sein Blut spritzen sehen, und ich wollte diejenige sein, die es verspritzte.
    »Hallo? Kriege ich heute noch eine Antwort auf meine Frage?«
    Ich blinzelte. Clarence war aufgestanden, zum Fenster gegangen und hatte irgendwas gesagt, ohne dass ich zugehört hatte. »Welche Frage?«
    »Ich rede mir hier den Mund fusselig. Aber hörst du mir überhaupt zu? Nein. Ich bin ja bloß Clarence, dein Verbindungsmann, dein Mentor. Nicht nur, dass ich mir Sorgen um dich machen muss. Nicht nur, dass ich ...«
    »Clarence! Welche Frage?«
    »Ich habe gefragt, wo du gewesen bist! Ich habe gefragt, was passiert ist. Das ganze Pub voll Leichen und du nirgends zu finden.«
    »Leichen?« Meines Wissens gab es nur eine Leiche, nämlich die von Alice’ Onkel Egan. Dem Mann, der Alice auf dem Gewissen hatte. Seit ich das herausgefunden hatte, hielt sich mein Mitgefühl für ihn doch sehr in Grenzen. Und, ich geb’s zu: Ich hatte ihn umgebracht.
    Nicht dass ich das Clarence unbedingt auf die Nase binden wollte. Zum Glück hatten Deacon und ich uns längst eine Geschichte zurechtgelegt, eine Mischung aus Wahrheit und Fantasie. Ich hoffte nur, ich würde damit durchkommen.
    »Ich war bei Rose«, sagte ich und wartete dann erst mal ab, wie Clarence reagierte.
    »Rose? Bei deiner Schwester Rose?« Der Schock, der ihm im Gesicht stand, schien echt zu sein, aber ich hatte gelernt, bei dem kleinen Kerl nichts für bare Münze zu nehmen. »Ich war der Meinung, ich hätte dir glasklar dargelegt, dass du unter dein früheres Leben einen Strich ziehen musst. Du kannst nicht mehr Lily sein! Davon musst du dich endgültig verabschieden, Kleine.«
    »Ja«, log ich. »Habe ich doch.«
    »Was machst du dann in den Flats?« So hieß das Bostoner Viertel, in dem ich aufgewachsen war. »Klingt für mich nicht danach, als hättest du deine Vergangenheit hinter dir gelassen.«
    »Rose ist zu mir gekommen«, erzählte ich. »Sie ist ins Pub gekommen.« Ich hielt inne. Einmal, um der dramatischen Wirkung willen, aber auch, weil die Wahrheit immer noch an mir nagte. Sie war auf der Suche nach mir ins Pub gekommen. »Und dort haben sie die Dämonen geschnappt.«
    »Wovon redest du eigentlich?« Clarence klang ehrlich verwirrt. »Ich schicke dich los, um einen Dämon zu töten. Dann höre ich länger als einen Tag nichts von dir. Und jetzt kommst du mit einer Geschichte über Dämonen an, die deine Schwester entführt haben?«
    »Das ist keine Geschichte!«, widersprach ich. »Sie waren zu dritt, und sie hatten Rose in einem Kellerraum auf eine Platte gebunden, um sie irgendeinem Dämonenarsch zu opfern.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich war da. Es war kaum zu übersehen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Das kam jawohl kaum aus heiterem Himmel, oder? Das Pub hatte doch schon immer den Ruf, mit den dunklen Mächten im Bunde zu sein.«
    Das Bloody Tongue - das angesichts von Egans frühzeitigem Ableben nun zur Hälfte mir gehörte - existierte schon seit dem 17. Jahrhundert und war seither in Familienbesitz. Hier endete die Bostoner Gruseltour, eine Stadtrundfahrt der besonderen Art. Bevor ich meinen Fuß in die wunderbare Welt der Dämonen, der Hölle, der Finsternis und des Lichts gesetzt hatte, hatte ich das Ganze für bloßen Humbug gehalten.
    So kann man sich täuschen.
    Wie sich herausgestellt hatte, steckte Alice’ Familie seit Generationen bis über beide Ohren im Reich der schwarzen Magie, und obwohl Clarence mir versichert hatte, dass Egan derart teuflische Dinge verachtete, traf das genaue Gegenteil zu: Egan war eng mit den Dämonen verbandelt und ging sogar so weit, obdachlose Frauen und Ausreißerinnen von der Straße zu holen und sie an die Dämonen zu verkaufen, woraufhin seiner Schwester, Alice’ Mutter, endgültig der Kragen geplatzt war. Verzweifelt hatte sie versucht, sich aus dem Familienbetrieb zurückzuziehen, was nicht gerade auf Wohlwollen gestoßen war. Als klar war, dass es Ärger geben würde, hatte Egan seine Schwester eiskalt ermordet.
    Dann hatten die Dämonen darauf bestanden, Egan solle ihnen für ein Opferritual ein bestimmtes Mädchen liefern - seine Nichte Alice -, und dieser hatte

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