Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
eingewilligt. Offenbar war die Furcht vor dem Zorn der Dämonen größer als die Zuneigung zu seinem eigenen Fleisch und Blut. Die Dämonen hatten ihm jedoch verschwiegen, dass Alice Teil eines umfassenden Plans war mit dem Ziel, eine tüchtige Kriegerin zu erschaffen. Er wusste nur, dass er seine Nichte eines Samstagabends als Opferlamm abliefern musste. Und am Montagabend darauf spazierte ihr Körper wie gewohnt zur Schicht ins Pub. Klar, ich war Alice - nur wusste Egan das nicht.
Um Egan davon abzuhalten, jede Menge blöder Fragen zu stellen, hatten sich die Dämonen eine, wie ich finde, ganz schlaue Taktik einfallen lassen: Sie erzählten ihm, sie hätten die Opferzeremonie abblasen müssen, weil Alice »befleckt« sei, und verlangten Ersatz von ihm. Als Rose dann auf der Suche nach Alice ins Pub reinschneite, ergriff Egan die Gelegenheit beim Schopf und lieferte den Dämonen meine kleine Schwester aus.
»Jetzt erzähl mir genau, was passiert ist«, befahl Clarence. Er beugte sich vor und runzelte die Stirn, was seine Augen noch weiter hervortreten ließ, als sie es ohnehin schon waren.
»Rose hat angerufen, während ich gegen den Dämonenpriester gekämpft habe.«
Eine satte Lüge. Zwar hatte ich einen Priester getötet, doch der war kein Dämon gewesen. »Und bis ich die Nachrichten abhören konnte, war es schon zu spät. Sie hatte sich bereits auf den Weg gemacht.«
»Wie lautete die Nachricht?«
»Dass sie ins Pub kommen und sich dort mit mir treffen wollte.« Das war nicht direkt gelogen. Allerdings hatte ich von der Opferung erfahren und war zum Pub gerast, um sie zu verhindern, ehe ich Rose’ Nachricht bekommen hatte.
»Und sie war da«, mutmaßte Clarence.
»Erst habe ich sie nirgends gesehen, aber Deacon Camphire war da.«
»Dieser stinkende Dämon hat deine Schwester in die Finger gekriegt?« Clarence legte so viel Wut in seine Stimme, dass ich seinen galaktischen Schauspielkünsten fast applaudiert hätte.
»Wahrscheinlich.« Im Geiste entschuldigte ich mich bei Deacon, obwohl wir uns diese Geschichte für Clarence zusammen ausgedacht hatten. Auch wenn ich vorhatte, Clarence umzubringen, brauchte ich vorerst eine wasserdichte Story. Denn um ein Monster wie Clarence zu töten, musste man auf der Hut sein. Und ihm nahe genug kommen.
»Tatsache ist, dass Deacon Egan getötet hat«, fuhr ich fort. »Ich sah ihn über der Leiche stehen, aber er verschwand, bevor ich ihm mein Messer in sein schleimiges schwarzes Herz stoßen konnte.« Gut, das war vielleicht ein bisschen dick aufgetragen. »Jedenfalls« - ich redete schnell weiter, damit Clarence nicht allzu lange über mein Märchen nachdenken konnte »Egan konnte mir noch sagen, dass man ein Mädchen in den Keller geschleppt hatte. Ich rannte runter. Zwei Dämonen standen über Rose gebeugt, und ein dritter ist nach hinten raus entkommen.«
Erneut flackerte Überraschung in Clarence’ Augen auf. »Weißt du, wer?«
»Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und tippe, es war ein Dämon.«
»Lily, das hier ist...«
»Sie bleibt bei mir«, schnitt ich ihm bestimmt das Wort ab. Ich war wild entschlossen, in dem Punkt nicht klein beizugeben.
»Nein. Das halte ich nicht...«
»Sie bleibt!«, wiederholte ich. »Sie bleibt, und ich beschütze sie. Sie sollte den Dämonen geopfert werden, Clarence! Glaubst du, sie werden so schnell von ihr ablassen? Jetzt haben sie Rose auf dem Kieker, und ich lasse sie nicht mehr schutzlos allein.«
Langsam schüttelte Clarence den Kopf. »Das kann ich nicht genehmigen.«
»Das hast du nicht zu entscheiden«, widersprach ich mit Nachdruck. »Ich habe den Dämonenpriester getötet, bevor er die Pforte öffnen konnte, oder? Ich glaube, da habe ich bei dir jetzt etwas gut. Und ich verlange, meine Schwester im Auge behalten zu können.«
»Was ist mit ihrem Vater? Du kannst sie ihm nicht so einfach wegnehmen.«
»Joe kümmert das doch keinen Pfifferling«, entgegnete ich leichthin. Denn meinem alkoholabhängigen Stiefvater war das wirklich völlig schnurz. Ich hatte gewonnen. Ich wusste es, und Clarence wusste es. Jetzt brauchte er es sich nur noch einzugestehen.
»Das ist keine gute Idee.«
»Das ist eine Riesenidee«, widersprach ich. Dieser Punkt war nicht verhandelbar.
»Ich kann es nicht erlauben.«
Ich lächelte übers ganze Gesicht und tat einfach so, als hätte ich ihn nicht gehört. »Dann sind wir uns einig. Dann ist das also abgemacht. Ich bringe für dich weiterhin Dämonen um die Ecke, und
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