Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
du lässt Rose bei mir einziehen.«
»Es gefällt mir nicht.«
»Finde dich damit ab.«
Er starrte mich an. Böse. Dann wandte er langsam den Kopf zur Seite. »Was hast du sonst noch angestellt?«
Ich schluckte und hoffte, die Schuldgefühle standen mir nicht ins Gesicht geschrieben. »Nichts. Warum fragst du?«
»Du denkst inzwischen deutlich undeutlicher, Lily. Was hast du gemacht?«
»Ach?« Ich täuschte einen Schock vor. »Keine Chance? Heißt das, du kannst mir tatsächlich nicht mehr in den Kopf schauen? Ich muss nicht mehr Conjunction Junction trällern, um dich von meinen Gedanken fernzuhalten?« Vom ersten Moment unserer Bekanntschaft an hatte Clarence die Fähigkeit besessen, in meinem Gehirn herumzustochern. Eine Fähigkeit, die ihm nichts mehr nützte, seit ich einen bestimmten Dämon getötet hatte, einen Geheimnishüter. Ein Mord, bei dem ich zufällig auch von dem Plan erfuhr, dass im Keller des Pubs ein Mädchen geopfert werde sollte. Allerdings hatte ich nicht die Absicht, Clarence das zu verraten.
»Nichts habe ich gemacht.« Ich zuckte mit den Schultern. Lässig, wie ich hoffte. »Vielleicht ist es ja ein kleines Geschenk als Dank für hervorragend geleistete Dienste. Vielleicht gönnt mir der oberste Boss ja ein wenig Privatsphäre.«
Er presste die Lippen zusammen, wirkte jedoch nachdenklich. Vielleicht war mein Erklärungsvorschlag ja durchaus im Rahmen des Möglichen.
»Was ist los?«, fragte ich. »Traust du mir etwa nicht?«
Ich wartete einen Pulsschlag, einen zweiten. Endlich nickte er. »Natürlich traue ich dir. Ich hatte mich nur an dein Geplapper gewöhnt, das ständig um mich rumgeschwirrt ist. Jetzt ist es auf einmal so ruhig.«
Ich war so erleichtert, dass ein Großteil der Anspannung von mir abfiel.
»Und Rose? Da sind wir uns einig, oder? Sie bleibt bei mir.«
Atemlos wartete ich auf seine Antwort. Schließlich nickte er. »Aber du bist Alice, nicht Lily! Du bist nicht die tote Schwester dieses Mädchens.«
»Geht klar. Kein Problem.«
»Hat sie die Dämonen gesehen, als du sie umgebracht hast? Hat sie gesehen, wie sie zerschmolzen sind?«
Ich schüttelte den Kopf. »Da hatte sie schon das Bewusstsein verloren. Man braucht meiner kleinen Schwester nicht zu erklären, was es mit diesem Dämonenschleim auf sich hat.«
»Und wie willst du Rachel ihre Anwesenheit erklären? Alice’ Schwester wird sich doch wundern, wenn du ein junges Mädchen mit nach Hause bringst. Und wer kümmert sich um sie, wenn du im Pub bist? Wie willst du jemanden finden, der auf sie aufpasst, wenn du gegen Dämonen kämpfst?«
»Du solltest dich mal hören«, sagte ich. »Mit Kinderbetreuung kennst du dich ja echt aus. Sie ist vierzehn, keine sechs. Und ich schwöre, ich lasse mir was einfallen.« Natürlich musste ich noch Johnson Bescheid geben, dass er sich dann wie eine 14-Jährige benehmen müsste. Ich unterdrückte ein bösartiges Grinsen. Endlich etwas, auf das ich mich freuen konnte.
»Ich schlage vor, du machst dir ein paar ernsthafte Gedanken, wie du dich um deine Schwester kümmern willst. Ich brauche deine volle Konzentration, Lily!«
»Also, das verstehe ich nicht«, protestierte ich. »Als du mir diesen Job schmackhaft gemacht hast, da hast du behauptet, ich sei die Frau, die verhindern kann, dass die Pforte geöffnet wird. Dass ich die Apokalypse verhindern kann. Du hast behauptet, das sei meine Mission, mein Lebenszweck.«
»War es auch.« Clarence Miene wirkte leicht besorgt, als wäre ihm nicht ganz klar, worauf ich hinauswollte.
»Ich habe alles erledigt.« Ich bemühte mich, die Wut und den Selbstekel zu unterdrücken. Denn genau das hatte ich eben nicht erledigt, wie Clarence sehr gut wusste. »Wieso bin ich dann nicht fertig? Lily Carlyle«, sagte ich im Stil eines Nachrichtensprechers, »Sie haben soeben die Erde gerettet. Was haben Sie nun als Nächstes vor?« Ich starrte Clarence an. »Eigentlich sollte ich nach Disneyland fahren, nicht noch mehr arbeiten.«
»Du hast die Neunte Pforte verschlossen, Kleine«, sagte er. Von seiner Verlogenheit wurde mir ganz schlecht. »Und ein großes Lob dafür. Aber glaubst du etwa, damit wären all unsere Probleme gelöst? Glaubst du, auf der Welt wäre jetzt wieder alles in Butter?«
Das war es keineswegs, das musste ich zugeben. Und ich versuchte, ruhig weiterzuatmen, während ich darauf wartete, wie meine neue Mission lauten würde: die Suche nach dem komischen kleinen Schlüssel, der alle Pforten verriegeln würde. Ja,
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