Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
schnell erwachsen geworden. Gut möglich, dass ich die Uhr nicht zurückdrehen konnte; versuchen würde ich es trotzdem.
An der Tür stand ein untersetzter Typ mit so dicken Armen, dass seine Hände, wenn er die Arme hängen ließ, weit vom Körper abstanden. Er warf Rose einen bösen Blick zu und schüttelte den Kopf. »Ausweis. Und ja keinen gefälschten.«
Kiera sah den Mann an, als halte sie ihn für ein gutes Objekt, um ihre Messerkünste an ihm auszuprobieren. Da ich keine Lust auf eine Morduntersuchung hatte, trat ich dicht an ihn heran und knipste meinen Charme an. Zumindest versuchte ich es. Tatsache war allerdings, dass ich - obwohl ich die Essenz eines Inkubus in mich aufgenommen hatte - meine neu gewonnene sexuelle Attraktivität noch nicht richtig beherrschte.
Aber meine Unerfahrenheit stellte kein Problem dar. Entweder hatte ich, auch ohne es darauf anzulegen, genügend Sexappeal, oder der Typ war so geil, dass alles bei ihm zog. Jedenfalls gehorchte er widerspruchslos, als ich ihm die Hand auf die Schulter legte und ihm ins Ohr flüsterte, dass ich ihm wirklich, wirklich dankbar sein würde, wenn er das Mädchen reinließ. Abgesehen davon, dass er mich in den Hintern kniff, veranstaltete er weiter keinen Zirkus, sondern ließ uns brav vorbei. Kiera sah mich fragend an, doch ich zuckte nur mit den Schultern und ging voraus in den Klub. Manche Tricks behält man besser für sich.
Für Klubs dieser Art gibt es nur ein Wort: zwielichtig. Aber dieser Klub war noch mehr: dunkel, gefährlich, stinkend und laut. Mit anderen Worten: genau der Ort, an den verantwortungsvolle Erziehungsberechtigte eine Vierzehnjährige niemals mitnehmen würden. Ich bekam gleich wieder Schuldgefühle, schob sie aber entschlossen zur Seite. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Jetzt waren wir hier, und dabei blieb es auch.
Ich führte unsere kleine Gruppe zu einer Nische im hinteren Teil, die nach Sex und Alkohol roch. Trotz der Gefahr, uns mit einem Dutzend Krankheiten anzustecken, setzten wir uns. Ich warf Rose rasch einen Blick zu, obwohl ich nicht gewusst hätte, was ich tun sollte, hätte sie völlig überfordert gewirkt. Ich war fest entschlossen zu bleiben.
Glücklicherweise machte Rose keinen verängstigten oder angeekelten Eindruck; im Gegenteil, sie schien total fasziniert zu sein. Dennoch fühlte ich mich ein klein bisschen schuldig. Schließlich hätte sie diese Welt niemals kennenlernen sollen.
Immerhin schien sie ganz und gar Rose zu sein. Ihre Augen waren klar, sie zitterte nicht, und als sie mich mit dem so vertrauten Anflug eines Lächelns ansah, schmolz ich regelrecht dahin. Johnson war wie vom Erdboden verschluckt, aber in meine Freude darüber mischte sich auch ein wenig Unbehagen. Er würde wiederkommen. Vermutlich eher früher als später.
Ich ergriff Rose’ Hand und drückte sie. Ihr Leben war völlig aus dem Ruder gelaufen, und dazu hatte ich durchaus meinen Teil beigetragen. Aber in diesem Moment war ich einfach nur glücklich, meine Schwester wiederzuhaben.
»Hier kommt garantiert keine Bedienung.« Kiera glitt aus der Nische. »Für mich Tequila. Cola für die Kleine. Und du?«
»Tequila«, entgegnete ich. »Danke.«
Sie schlenderte zur Theke hinüber und zwängte sich neben eine große Blondine, die dringend einen BH gebraucht hätte.
Ich drehte mich zur Seite und betrachtete meine Schwester. »Du hast überhaupt nicht gefragt.«
»Was habe ich nicht gefragt?«
»Wieso ich in einem anderen Körper stecke.« Ich warf rasch einen Blick zum Tresen, um mich zu vergewissern, dass Kiera noch nicht auf dem Rückweg war. »Du hast geschrien, weil Johnson in dir war, und du hast mich Lily genannt. Du wusstest Bescheid, Rose. Woher?«
Sie runzelte die Stirn, und zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Keine Ahnung. Ich ... ich wusste es einfach.«
»Was weißt du sonst noch?«
Sie presste die Lippen zusammen, und dann sah sie mich plötzlich mit strahlendem Lächeln an. »Ich weiß eine Menge«, sagte sie im Flüsterton. »Dinge, von denen er vermutlich nicht will, dass ich sie weiß.«
Mir lief es kalt den Rücken hinunter. »Was zum Beispiel?«
Sie beugte sich vor. »Er hat angerufen. An dem Abend, als du gestorben bist. Er hat einen Mann namens Egan angerufen und ihm gesagt, der Zeitpunkt wäre gekommen. Er hat ihm gesagt, er soll Alice holen.«
Erst als ich den gedämpften Laut aus meiner Kehle kommen hörte, wurde mir bewusst, dass
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