Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
nicht. Ich ging zur Wand und löste mit der Messerspitze einen der Jadesteine heraus. Dann rannte ich damit zum Wasserlauf und ließ ihn reinfallen.
Sekunden später hatte er sich aufgelöst.
»Ich hab’s dir ja gesagt!«, frotzelte Deacon. »Es ist unmöglich.«
»Das glaube ich nicht.« Im Moment allerdings hatte ich nichts, was meine Meinung hätte stützen können. Nur ein tief empfundenes Gefühl, richtig zu handeln. Immerhin war ja diese irre Karte auf meiner Haut erschienen. Eine Karte, die einem den Weg zu etwas weist, das kein Mensch bekommen kann, wäre doch sinnlos gewesen. Und ich war nicht in der Stimmung, an einen kosmischen Scherz zu glauben. Wenn einem der Arm so oft aufgeschlitzt und zerschnitten und dann auch noch jedes Mal mit Blut beschmiert worden war wie mir, dann nimmt man die Vorstellung, das alles habe man nur deshalb über sich ergehen lassen, damit der Kosmos mal wieder ordentlich was zu lachen habe, nicht sonderlich gut auf.
Außerdem schmerzte mein Arm immer noch. Tief in mir spürte ich ein gleichmäßiges Pochen, als wäre da eine verschlüsselte Botschaft, die ich nur vor innerer Anspannung und Dummheit nicht verstand.
Außer...
Ich neigte den Kopf. Nein, so einfach konnte es nicht sein.
Oder doch?
»Lily?«
Ich zog erneut mein Messer, schlitzte mir unter Deacons skeptischem Blick die Handfläche auf und stöhnte auch nur kurz, als die Klinge durch mein Fleisch schnitt. Dann kroch ich wieder an den Rand des Säurebachs, hielt die Hand über das schäumende Gewässer und ließ das Blut hineintropfen.
Als der erste Tropfen auf die Oberfläche traf, zuckte ich zurück. Ich hatte erwartet, eine Rauchwolke aufsteigen zu sehen und ein Zischen zu hören. Aber da war nichts. Nur ein roter Fleck, der sich langsam auflöste.
Mit einem Anfall von Selbstgefälligkeit sah ich zu Deacon. »Mein Blut! Ist es nicht einfach nur cool?«
Nicht, dass mir diese neue Erkenntnis besonders weitergeholfen hätte. Denn ich hatte das Gefühl, dass weniger ich als Ganzes gefeit als vielmehr mein Blut das magische Elixier war. Um diese Theorie zu beweisen, rupfte ich mir ein paar Haare aus und sah dann zu, wie sie in der Säure zischend verdampften.
Mist.
Vorsichtig schnitt ich mir einen dünnen Streifen Haut aus dem Ballen meines Daumens, den ich ebenfalls in das Säurewasser fallen ließ. Er war schon verpufft, ehe meine Haut zu heilen begann. Mist, Mist und noch mal Mist! Wie zum Teufel sollte ich an die Schatulle kommen, wenn das säuresichere Blut unterhalb meiner Haut war?
»Soll ich mir vielleicht die Haut wegätzen lassen? Die Muskeln? Bis runter auf die Knochen?« Ich schaute zu Deacon hoch. Zweifellos sah er in meinen Augen Abscheu und Furcht. »Es heilt wieder, insofern ...«
»Gib’s auf, Lily! Es sollte wohl nicht sein.« Noch während er sprach, füllte ein leises Brummen den Raum, und auf der anderen Seite des Wasserlaufs setzten sich die Steinkrieger in Bewegung; sie hoben die Schwerter, bereit zum Angriff.
»Deacon!«, flüsterte ich. »Hast du das gesehen?«
»Die Zeit wird knapp. Wir müssen hier raus.«
»Scheiß drauf! Du hast Johnson doch gehört! Rose’ Leben hängt von mir ab.«
»Glaubst du wirklich, Johnson lässt sie am Leben? Wenn du auf sein Wort vertraust, ist deine Schwester schon tot.«
»Ohne das Relikt gehe ich hier nicht fort.«
Er warf einen vielsagenden Blick zu den Steinkriegern. Alle vier waren bereits einen Schritt vorgerückt. »Dann gehst du vielleicht bald nirgends mehr hin.«
»Dann hilf mir!«
Er schaute mich unschlüssig an. Schließlich drehte er sich auf der Suche nach der Quelle des Brummens um, das an das leise Dröhnen eines kleinen Generators erinnerte. Als er sich wieder mir zuwandte, lag in seinen Augen tiefe Resignation. »Zwischen uns ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wenn ich dir jetzt helfe, musst du mir auch helfen. Ich muss den Schlüssel finden. Um die Pforten zu verschließen - nicht, um sie zu öffnen.«
Ich befeuchtete meine Lippen und nickte. »Keine Ahnung, wie ich bei der Suche mehr Glück haben soll als du, aber ich helfe dir. Rose’ Leben kann ich nicht gefährden, aber ich helfe dir suchen.«
Er schaute zum Wasserlauf. »Gib mir deinen Arm.«
»Was hast du ...«
»Schnell!«
Ich fügte mich. Er schlitzte mir den Unterarm auf, und ich schrie vor Schmerz und Überraschung auf. »He! Was soll das?«
»Warte!« Er presste meinen Arm, bis Blut austrat.
»Ach du Scheiße.« Mir war klar geworden, was er
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