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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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ihrer Gegenwart verspürte, würde für immer verschwinden.
    Ich war mir nicht sicher, was das über sie aussagte. Oder über mich. Aber dass ich sie sehen musste, stand außer Zweifel. Und sei es nur, um erneut diese Decke des Wohlbefindens über meine Schultern breiten zu können.
    Als wir die Straße überquerten, um den letzten Block hinter uns zu bringen, folgte uns plötzlich ein untersetzter Mann in ausgewaschenen Armeeklamotten. »Es naht«, sagte er mit einer sanften Stimme, die in krassem Gegensatz zu seinem abgerissenen Äußeren stand.
    Ich blieb stehen und schaute ihn mir etwas näher an. Rose tat es mir nach. Sie stellte sich schräg hinter mich und drückte mir eine Hand gegen die Schulter. Ich spürte ihren Atem im Nacken. Sie betrachtete den Fremden ebenso misstrauisch wie ich.
    »Was naht?«, fragte ich, während ich bereits zum Messer griff. Durch die Bewegung verschob sich der Trenchcoat, das Schenkelholster mit dem Messer kam zum Vorschein. Doch das bereitete mir keine Sorgen. Im Gegenteil. Der Kerl konnte ruhig sehen, dass ich bewaffnet war, und nicht schlecht dazu.
    Sein Mund verzog sich zu einem breiten, freudlosen Grinsen. »Das Ende«, sagte er und tippte meine Zeitung an. »Erdbeben, Hungersnöte, Verwüstungen. Es fängt an. Es hat schon angefangen.« Ich machte mich wieder auf den Weg, aber er trottete neben uns her. »Seid ihr bereit?«, fragte er. »Seid ihr bereit für die Endzeit? Bereut!« Endlich blieb er stehen, während wir noch einen Zahn zulegten. »Bereut, bereut, bereut!«
    Ich weiß nicht, warum er mir einen solchen Schrecken einjagte - letztlich hatte er ja recht. Trotzdem war es so, und als wir den Block zur Hälfte hinter uns hatten, schlug mir das Herz bis zum Hals, und Roses Hand lag in meiner.
    »Es stimmt, was er sagt, oder?«, fragte Rose. »Das Ende naht.«
    Ich neigte den Kopf zur Seite, bis die Halswirbel knacksten. »Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
    Sie schwieg. Ich warf ihr einen Blick zu und stellte überrascht fest, dass sie weinte. »Wenn wir den dritten Schlüssel nicht finden ...«, schluchzte sie, ohne den Satz zu beenden. Ihr waren offenbar die Worte Erzengel Gabriels wieder eingefallen, dass nämlich mein Blut, mein Körper diesen Albtraum beenden konnte. Für jeden, nur nicht für mich.
    »Rose?«
    Sie schniefte, hielt den Kopf gesenkt, blieb stehen und zwang so auch mich, anzuhalten. »Ich will nicht, dass du mich verlässt.«
    »Ich ebenso wenig. Wir werden ihn finden.«
    Sie schaute auf, ihre Augen waren ganz rot. »Und wenn nicht?«
    Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Sie hatte es nicht ausgesprochen, aber die Frage, die dahintersteckte, war klar: Würdest du es tun? Würdest du dein Leben opfern, um uns zu retten?
    Ich blieb ihr die Antwort schuldig. Ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen. Ich hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um meine Schwester zu retten. Und wenn ich den dritten Schlüssel nicht fand oder mich nicht zur Dämonenkönigin krönen lassen wollte, wäre sie nie endgültig in Sicherheit - es sei denn, ich würde mich für alle Zeiten ins Feuer der Hölle stürzen. So viel hatte ich erreicht und war dennoch nicht sicher, ob ich den letzten Schritt würde tun können. Denn was das bedeutete, wusste ich nur zu gut. Ich hatte es durch Penemues Augen gesehen. Ich hatte es gefühlt. Und diese Wirklichkeit war eine Milliarde Mal schlimmer als meine entsetzlichsten Albträume von der Hölle.
    »Ich habe Angst, Lily«, sagte sie und sprach damit aus, was ich dachte.
    »Ich auch.« Ich drückte fest ihre Hand. Ich hatte schon so viele Opfer gebracht, um Rose zu schützen, und ich hatte es ohne Furcht oder Bedauern getan. Ich hatte mich sogar aufgemacht, um einen Mann zu ermorden, wohl wissend, dass ich eine Todsünde begehen und es vielleicht nicht überleben würde.
    Ich war bereit gewesen, für meine Sünden in der Hölle zu schmoren, aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich bin mir nicht so sicher, ob ich damals überhaupt an Himmel und Hölle geglaubt hatte. Gewiss waren nur das Leben und der Tod. Und wenn ich sterben würde, wäre alles vorbei. Schwärze. Nichts. Und obwohl ich mich als Kind vor dieser Dunkelheit gefürchtet hatte - wenn man es sich richtig überlegt, wie furchtbar kann das schon sein?
    Aber inzwischen wusste ich es besser. Die Hölle existierte definitiv. Sie bedeutete Schmerz und Qual und Folter, die einen den Verstand verlieren lässt. Wie kindliche Albträume auf Crack, Folterfilme, die

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