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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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Kinderspiel, die Brücke entlangzuspazieren. Zum einen liegt sie erhöht; wenn man Spider Man also keine Konkurrenz machen will, muss man einen ziemlichen Umweg in Kauf nehmen und an der Stelle loslaufen, wo die Schnellstraße noch ebenerdig ist. Dann würde mich allerdings die städtische Verkehrsgesellschaft, die Polizei oder, wer sonst auch immer dafür zuständig war, ohne viel Federlesens aus dem Verkehr ziehen.
    Wie gesagt, ich hatte mein Messer dabei, von den inneren Dämonen ganz zu schweigen, trotzdem war ich nicht scharf darauf, wie eine Schwerverbrecherin behandelt zu werden. Aber ich musste Deacon finden, also fuhr ich brav mit dem Wagen auf die Brücke, schaltete dann ungefähr auf halber Strecke die Warnblinkanlage an, nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ das Auto langsam ausrollen. Anschließend schaltete ich den Motor ab und schlug, um das Ganze echt wirken zu lassen, mit der Hand fest aufs Lenkrad, als wäre ich ein ganz normaler genervter Pendler.
    Wenn man auf der Brücke eine Panne hat, soll man eigentlich an den Fahrbahnrand fahren und geduldig auf Hilfe warten. In keinem Fall darf man aussteigen und zu Fuß weitergehen.
    Was soll ich sagen? Die Dämonen zwangen mich dazu.
    Wie immer, wenn es nicht gerade drei Uhr früh war, herrschte in Boston ein Wahnsinnsverkehr. Noch dazu war jetzt die berüchtigte Stunde, wo die einen zu einem späten Mittagessen, die anderen in einen frühen Feierabend fuhren. Deshalb riskierte ich meine Gesundheit (oder gar mein Leben, aber ich war ja unsterblich etc. pp.), als ich auf dem schmalen Asphaltstreifen neben der Fahrbahn entlangging. Hier konnte man nicht mal ein Auto richtig abstellen, was aber auch ein Vorteil war. Denn so hörte ich rechtzeitig das Quietschen der Bremsen und die Flüche der Pendler, die eine Spur nach links mussten, um meinem angeblich defekten Vehikel auszuweichen.
    Eine besonders gestresste Seele kurbelte das Seitenfenster runter, drückte auf die Hupe, damit ich mich umdrehte, und streckte mir die geballte Faust entgegen. »Hey, Lady«, brüllte er, »fahren Sie Ihre Scheißkarre da weg!«
    Ich liebe Boston.
    Ich marschierte weiter und verkniff mir ein Grinsen, das die Autofahrer sicher noch mehr gegen mich aufgebracht hätte. Wahrscheinlich waren diese finsteren Dämonen schuld, die tief in meinem Innern hockten, aber den Verkehrsfluss so locker zu behindern, verursachte mir im Bauch ein angenehmes kleines Kribbeln.
    Solange ich am Steuer saß, hatte ich Deacon nirgends gesehen, und auch jetzt sah ich ihn nicht. Mein Gefühlshaushalt schwankte ständig zwischen Besorgnis und Frustration. Ergänzt um eine größere Portion Angst davor, was aus ihm geworden war und dass er möglicherweise keinen Weg zurück finden würde.
    »Hey!« Ein Kerl in einem zerbeulten Toyota bremste neben mir ab. »Du irre Schnepfe, schieb deinen Fettarsch von der Straße runter!«
    Okay, jetzt reichte es mir. Erstens hatte ich keinen fetten Arsch mehr, und zweitens: Auch wenn die Beschreibung »irre Schnepfe« nicht ganz von der Hand zu weisen war, es war eine Unverschämtheit.
    Das Schwert zog ich nicht gleich, aber ich schlug den Trenchcoat nach hinten um und legte die Hand an den Messergriff. »Steig aus und sag mir das noch mal ins Gesicht, wenn du dich traust.«
    Offensichtlich traute er sich nicht, denn er zeigte mir bloß den Stinkefinger und gab dann Gas. Arschloch.
    Ich steckte die Hände wieder in die Taschen, hauptsächlich, weil ich das Messer gar zu gern gezückt hätte. Ich wollte einen neuen Kampf. Ich war wieder auf den Geschmack gekommen, und jetzt wollte ich mehr. Ich brauchte mehr.
    Mensch. Dämon. Egal. Ich musste der dunklen Seite, die in mir aufbegehrte, einen Knochen hinwerfen.
    So ganz egal war es mir natürlich nicht. Wenn ich einen Menschen tötete, war ich schließlich nicht besser als das Monster in mir.
    Aber wenn ich einen Dämon tötete ...
    Dann würde ich diesen dunklen Kick verspüren, dieses intensive Vergnügen. Dämonenblut. Dämonenessenz. Wie ich darauf stand!
    Schade, dass Dämonen nie dann zur Hand waren, wenn man sie brauchte.
    Während ich diesen Umstand noch bedauerte, heulte eine Sirene zweimal kurz auf und schreckte mich auf. Ich schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und drehte mich um. Direkt vor mir saß ein Polizist auf seinem Motorrad, das längst nicht so cool war wie meine schmerzlich vermisste Tiger. Ich machte mir im Geiste eine Notiz; ich musste mir in dem ganzen Weltrettungstrubel unbedingt die Zeit

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