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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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die Gestalt eines Menschen angenommen. Du bist ein Mensch, Lily, und bist es immer gewesen.«
    Wir wussten beide, dass das nicht ganz stimmte. Die Prophezeiung hatte mich verändert, und mit jedem Dämon, den ich tötete, verlor ich einen Teil meines Menschseins. Aber ich hatte immer geglaubt, ich hätte bei Punkt null begonnen.
    Na gut, das entsprach auch nicht ganz der Wahrheit. Selbst die alte Lily war alles andere als eine Heilige gewesen. Für Geld hatte ich so gut wie alles getan - gestohlen, gedealt, egal -, aber immer nur zum Wohl meiner kleinen Schwester. Und ich hatte nie das Gefühl, Unrechtes zu tun, bis Johnson sich an sie ranmachte. Bis dahin hatte ich immer den leichteren Weg eingeschlagen. Seither hatte ich natürlich dazugelernt, aber vor wirklich drastischen Lösungen schreckte ich immer noch zurück.
    »Ist das wichtig?«, fragte Deacon. »Ist deine Abstammung wichtig?« Er sah mich ernst an, und ich wusste, was ihm durch den Kopf ging. Wenn es so große Bedeutung hatte, dass ich der Abkömmling eines Dämons war, dann steckte er in der Scheiße. Denn er stammte aus den Tiefen der Hölle und wünschte sich nichts sehnlicher als weit geöffnete Tore ins Himmelreich. Bisher war ihm dies verwehrt geblieben. Wegen dem, was er getan hatte, oder wegen dem, was er war - das war die Frage.
    Wenn Letzteres der Fall war, war ich ebenfalls die Angeschmierte.
    »Es ist wichtig.« Ich ging zum Fenster, stützte mich mit den Händen an den Glasscheiben ab und blickte auf die Straße hinunter. Es wurde Morgen, die Stadt erwachte. »Die Kreatur, die ich am meisten von allen hasse, ist ein Teil von mir. Ihre Schwärze. Ihre Hässlichkeit. Und ich kann nichts dagegen tun, nichts daran ändern.«
    Jemand trat neben mich. Rose. Sie nahm meine Hand. »Ich weiß«, flüsterte sie. Ihr sanfter Tonfall beschämte mich. Ich war durch Johnson gezeugt worden, aber sie hatte unter ihm gelitten. Er war in sie eingedrungen. Körperlich. Geistig. Er hatte sowohl ihren Körper als auch ihre Seele vergewaltigt, und wenn man unser beider Schicksale verglich, hatte sie zweifelsohne das schlimmere Los getroffen.
    Ich sah sie an. Sie stand da, aufrechter und selbstbewusster als ich sie das ganze letzte Jahr über erlebt hatte. Sie hatte die Vereinnahmung durch Johnson überlebt. Ich war unendlich stolz auf sie.
    Sie hatte überlebt, und ich konnte das auch schaffen.
    Ich drückte ihre Hand, ließ sie dann los und drehte mich zu den anderen. »Ich war ihre Marionette«, sagte ich. »Die der Dämonen. Kokbiels.« Mir lief es kalt über den Rücken. Bislang hatte Kokbiel die ganze Drecksarbeit Johnson überlassen. Von Penemue hatte ich ja schon einen optischen Eindruck bekommen, wenigstens teilweise, der Anblick seines Feindes Kokbiel war mir bislang erspart geblieben. Ich könnte auch nicht behaupten, dass mich die Aussicht, ihn persönlich kennenzulernen, sonderlich begeisterte.
    Mit zusammengebissenen Zähnen dachte ich daran, was Kokbiel und Johnson angerichtet hatten. »Sie haben schon die Fäden gezogen, als ich noch gar nicht geboren war.«
    »Lily...«
    Ich schnitt Deacon sofort das Wort ab. »Nein, lass nur. Ich will auf Folgendes hinaus: Ich war zwar ihre Marionette, aber sie hätten nie damit gerechnet, dass ich mich gegen sie wende. Dass ich ihnen auf die Schliche kommen und mich dafür einsetzen würde, die Pforte zu schließen. Mein erster Treffer. Außerdem hätten sie nie damit gerechnet, dass wir Johnson aus Rose verjagen. Ein satter Kinnhaken. Und als Nächstes verpasse ich ihnen einen Tritt in die Eier, dass ihnen Hören und Sehen vergeht.«
    »So gefällst du mir!«, grinste Rachel. »Was hast du vor?«
    »Ich suche dieses Ding, das wir auf keinen Fall finden sollen.« Ich schaute sie der Reihe nach an. Deacon, der mich finster und schweigend anstarrte. Rose, die sich neben Rachel gesetzt hatte, die neugierig zu mir hersah und deren pinkfarbene Haare vom Schlafen noch in alle Richtungen abstanden. Rachel, die sich voll Tatendrang vorbeugte.
    »Den Dolch«, sagte Rose schließlich.
    »Genau. Sie haben Alice umgebracht, weil sie geglaubt haben, sie könnte die Pforte verschließen. Das hätte sie jedoch nur mit dem passenden Schlüssel gekonnt.« Ich sah Rose an, meine Musterschülerin. »Mit dem Dolch. Das bedeutet: der Monsignore hat sich geirrt. Die Dämonen haben den Dolch nicht zerstört, nachdem Egan auf ihren Befehl hin Margaret umgebracht hatte. Denn dann wäre Alice keine Bedrohung mehr gewesen. Habe ich

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