Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
hätte und du den Thron bestiegen hättest, wärst du niemals so stark gewesen, ihn lange zu verteidigen. Wie auch, wenn alles, was du bist und je sein wirst, von mir stammt? Ich bin stärker, denn ich habe dich gezeugt. Dich geplant. Ich habe dich kontrolliert. Und du hattest nie auch nur den geringsten Verdacht.«
Ekel und Selbsthass brandeten in mir auf, aber ich konnte nichts unternehmen. Nur auf dem Boden liegen und warten, dass er mich in kleine Stücke hackte.
»Und nach meinem Coup - nachdem ich dich zerlegt und deine Einzelteile in lauter kleine Kisten gut versteckt über die ganze Erde verteilt habe -, wird die Welt nach meinem Ebenbild und dem meines Herrn und Meisters, des überaus mächtigen Kokbiel, neu geformt.« Er lächelte. »Zum Glück brauche ich nicht mehr länger darauf zu warten.« Er hielt den Dolch hoch. »Einen Schlüssel, der alle Pforten verschließt? Tut mir leid, mein liebes Töchterlein - aber dass du den benutzt, kann ich nicht zulassen. Und die Klinge ist ja wirklich sehr scharf.« Er beugte sich tief zu mir herunter. »Vielleicht ist er doch zu irgendwas nütze, ehe ich ihn endgültig zerstöre.«
Er kauerte sich neben mich. Verzweifelt versuchte ich, mir das Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Jetzt war es so weit - das, was ich am meisten fürchtete, seit ich von meiner Unsterblichkeit erfahren hatte. Dass ich zwar lebte, aber über keinen funktionierenden Körper mehr verfügte, sondern weit verstreut in Kisten verscharrt würde. Dass ich ohne jede Aussicht auf Heilung oder Wiederherstellung schlimme Leiden ertragen müsste.
Und ich war völlig meinem kranken, perversen, dämonischen Vater ausgeliefert. Ich konnte nicht einmal den Mund öffnen und schreien.
»Es dauert nicht mehr lang.« Er drückte mir den Dolch ans Schultergelenk. »Ich werde also schnell machen. Du kannst dich ja später bedanken.«
Die Klinge spürte ich nicht, stattdessen hörte ich ein lautes Grunzen, als er plötzlich das Gleichgewicht verlor und nach hinten wegkippte. Und obwohl ich den Kopf nicht drehen konnte, sah ich den Grund dafür - in Rachels Brust steckte ein Messer. Knapp links von ihrem Herzen.
Stöhnend griff sie danach, zog es heraus und knurrte leise, während Rose auf sie zustürmte und nur kurz innehielt, um das Messer aus meinem Schenkelholster zu reißen.
»Du Drecksack«, rief sie, holte aus und verpasste Johnson einen Tritt ans Kinn. »Du hast mich missbraucht. Du hast mich vergewaltigt. Und Lily.« Sie wirbelte herum und knallte ihm den Absatz voll ins Gesicht. »Du hast mir ihr gespielt wie mit einer Marionette. Mit unserer ganzen Familie. Tja, damit ist jetzt Schluss.«
Sie trat erneut zu. Johnson taumelte nach hinten und rappelte sich nur mühsam wieder auf. Offenbar hatte er sich an den Körper noch nicht so gewöhnt, dass er schon wieder über seine alte Kampfkraft verfügte.
Aber ein Messer hatte er, und damit griff er Rose an. Sie wich nach links aus und verpasste ihm einen weiteren Tritt. Ich wollte ihr zuschreien, sie solle ihm den Rest geben und nicht erst lang ihren Frust abreagieren, aber ich war wie erstarrt und vollkommen hilflos. Ich konnte lediglich beobachten, wie Rose endlich ihre Rache an Johnson bekam.
Und sie nahm böse Rache. Rose stand unter Strom, ihre Wut trieb sie an. Johnson hatte kaum Gelegenheit, sich vernünftig zu wehren.
»Ich hasse dich«, schrie sie ihm voll Inbrunst ins Gesicht. »Ich hasse dich, und jetzt stirbst du.«
Mit diesen Worten rammte sie ihm das Messer ins Herz. Dann entwand sie ihr eigenes Messer seiner schlaff werdenden Hand und stieß es ihm ebenfalls in die Brust. Und als er auf dem Boden lag, setzte sie den Fuß auf den Knauf und trat es ihm bis zum Anschlag rein.
Als sich seine Leiche dann in Schleim verwandelte, zog sie ihr Messer wieder raus und spuckte ihn an.
Am liebsten hätte ich applaudiert. Ehrlich.
Nach Luft schnappend stand Rose eine Zeit lang da, ihr Gesichtsausdruck eine Mischung aus Stolz und Staunen. Dann sah sie mich an, und Sorge erfüllte sie. Sie kniete sich neben mich. »Ach Gott, ach Gott. Sie ist gestorben. Sie muss richtig gestorben sein, und er hat ihren Körper übernommen. Du hast ihn geheilt, und seitdem, ach Gott, seitdem hat er in ihrem Körper gesteckt. Rachel ist gestorben, und wir haben es nicht mal gewusst.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, Tränen liefen ihr die Wangen hinab. »Wir haben es nicht mal gewusst.«
Sie weinte jetzt hemmungslos. Sie hob meine Hand und schlitzte
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