Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
würdest du vielleicht ... eher wieder glücklich werden. Das war wohl ein Irrglaube.«
»Ach Henry, mach dir keine Vorwürfe. Ich weiß, dass dir Gewalt und Rache verhasst sind. Deshalb lass mich lieber alleine gehen. Es wäre nicht richtig, wenn du mitkämst. Dein Leben ist nicht mehr zu vergleichen mit meinem ... Dasein. Wir sind jetzt zu verschieden. Bleib hier in England. Bleib bei deiner Mutter und kümmere dich um sie. Leb dein Leben und werde glücklich. Du wirst schon bald ein Mädchen finden, in das du dich verliebst und das fähig ist, dich von ganzem Herzen zurückzulieben. So, wie du es verdient hast, und wie es sein sollte.«
»Nein, Emilia, ich habe dir mein Versprechen gegeben. Schon damals, als wir Kinder waren, erinnerst du dich nicht mehr? Ich werde daran festhalten. Ich bleibe bei dir und werde dich nicht im Stich lassen. Nicht noch einmal. Das schwöre ich. Bei meinem Leben.«
Lieber Henry!
Bitte entschuldige meine späte Antwort. Ich war einige Zeit in einer wichtigen Mission unterwegs und habe Deinen Brief erst vor ein paar Tagen erhalten. Ich hoffe, es geht Dir mittlerweile besser, auch wenn Du England, wie Du schreibst, sehr vermisst.
Du bist Emilia also gefolgt, weil Du sie nach wie vor liebst. Du willst weiterhin zu ihr stehen und ihr Gedächtnis, ihre Erinnerung sein, und Du willst ihr helfen, Ruhe und Gerechtigkeit zu finden. Du erwähnst sogar, dass Du ihr Dein Herz schenken möchtest. Dieser letzte Satz, lieber Henry, scheint mir der Kern Deines Briefes zu sein. Er hat meine besondere Aufmerksamkeit geweckt und mich zugegebenermaßen erschreckt, denn ich ahne, welches Vorhaben sich hinter dieser Aussage verbirgt.
Deine Treue und Hingabe Emilia gegenüber zeugen von großem Charakter und beeindrucken mich zutiefst. Aber, mein Freund, ich bin dennoch skeptisch, um nicht zu sagen, tief besorgt. Du sprichst lediglich über Deine Gefühle, aber erwähnst in keinem Satz, was das Mädchen Dir gegenüber empfindet. Hat Emilia Dir ihre Liebe auch nur ein einziges Mal gestanden? Hat sie Dir mit irgendeinem Wort, einer Geste oder einem Blick zu verstehen gegeben, dass Du ihr Ein und Alles bist? Denn nichts weniger darfst Du für sie sein, wenn Du sie — und davon gehe ich aus - tatsächlich erlösen und ins Menschenleben zurückholen willst. Ansonsten, lieber Henry, weißt Du ja, was ihr und Dir bevorsteht. Du tust euch beiden keinen Gefallen.
Ich habe in meinen letzten Briefen all Deine Fragen beantwortet, so gut ich es vermochte. Ich habe versucht, Dir die Ewigkeit zu erklären, sofern dies überhaupt möglich ist. Du kennst ihre Schattenseiten, Du weißt um die Gefahren, die in ihr schlummern. Ich kann Dir nicht verbieten, jenen Schritt zu gehen, den Du offensichtlich in Erwägung ziehst - oder möglicherweise während meiner Abwesenheit schon gegangen bist. Dein Wille ist frei. Aber ich sehe es in jedem Fall als meine Pflicht an, Dich ein weiteres Mal zu warnen: Hüte Dich davor, der Unendlichkeit zu nahe zu kommen, Henry. Sie lässt Dich nur ungern wieder aus ihren Klauen, wenn sie Dich einmal berührt hat. Du brauchst einen tiefen Glauben an Dich selbst, wenn Du ihr dauerhaft standhalten willst. Erst auf meiner jüngsten Reise bin ich so mancher verlorenen Seele begegnet, der dieser Glaube verloren gegangen ist. Es sind scheußliche und bemitleidenswerte Kreaturen, Mörder und Opfer zugleich - leere Hüllen ohne jeglichen Inhalt. Auch Emilia hat sich bereits verändert, wie Du bemerkt hast. An ihrer Wandlung kannst Du erkennen, was die Ewigkeit selbst der reinsten Seele anhaben kann. Sei wachsam, Henry, egal was Du vorhast oder vielleicht schon getan hast. Und vor allen Dingen: Konzentriere Dich immer auf Dich selbst, bleib Dir treu! Es ist schwierig, das Leben zweier zu bewahren ...
Ich hoffe, ich höre wieder von Dir. Lass mich wissen, wie es Dir ergeht - Dir und auch Emilia. Verschweige mir nichts, Henry, was es auch sei.
Mit den besten Wünschen
George
George, mein lieber Freund!
Ich danke Dir dafür, dass Du meine Gefühle für Emilia nicht ins Lächerliche ziehst, nach allem, was geschehen ist. Und ich danke Dir dafür, dass Du meine vielen Fragen nicht ignorierst, sondern sie ernst nimmst und mir bereitwillig Auskunft gibst. Dadurch milderst Du meine Ängste und Verwirrungen enorm. Du bist ein weiser Mann, George, und ich verehre Dich aufs Höchste.
Ich weiß, Du hattest mich eindringlich gewarnt und ich bin den entscheidenden Schritt dennoch gegangen.
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