Blood Shot
arabisch geschrieben wär' oder chinesisch. Ich kann damit nichts anfangen.«
Ich zwang mich, noch eine Weile bei ihr zu bleiben, aber es wurde ihr bald zuviel, und sie schlief mitten in einem Satz ein. Ich dachte an Gabriellas Vorwürfe aus meinen Träumen, während ich noch eine Weile ihren Schlaf bewachte.
Was für ein Leben. Aufgewachsen in einem seelenlosen Elternhaus, vergewaltigt vom eigenen Onkel, vergiftet vom Arbeitgeber, und jetzt dieser langsame, schmerzhafte Tod. Und trotzdem war sie nicht unglücklich. Als sie im Nachbarhaus einzogen, war sie ängstlich, aber nicht verbittert gewesen. Voller Lebensfreude hatte sie Caroline großgezogen und Vergnügen daran gefunden, fern von ihren Eltern ihr eigenes Leben zu leben. Vielleicht war mein Mitleid nicht nur fehl am Platz, sondern auch ein Beweis meines Hochmuts.
Während ich Louisas keuchenden Atem verfolgte, überlegte ich, was ich Caroline über ihren Vater erzählen sollte. Ihr gar nichts zu sagen, wäre falsch und anmaßend; es stand mir nicht zu, über diese Angelegenheit Schweigen zu bewahren. Aber ihr die Wahrheit zu sagen, schien mir andererseits unnötig grausam. Verdiente sie es, über die furchtbaren Tatsachen Bescheid zu wissen? Ich überlegte noch immer hin und her, als sie hereinrauschte, um Louisa ein leichtes, salzloses Mittagessen zu bereiten. Auch Caroline freute sich, mich zu sehen, hatte aber nicht viel Zeit, weil sie zur nächsten Besprechung mußte.
»Hast du die Broschüre gefunden? Sie liegt neben der Kaffeekanne. Kannst du mir nicht erzählen, warum du sie unbedingt brauchst? Wenn es Ma betrifft, habe ich ein Recht darauf, es zu erfahren.«
»Wenn ich wüßte, ob es sie speziell betrifft, würdest du es als erste erfahren. Aber im Augenblick kämpfe ich mich noch immer durch einen undurchdringlichen Dschungel.«
Ich las die Broschüre, während Caroline Louisa versorgte. Sie vergrößerte meine Verwirrung noch; alle möglichen Leistungen, die Louisa gewährt wurden, wurden hier nicht aufgeführt: ambulante Behandlung, Dialyse, ein Sauerstoffgerät zu Hause. Als Caroline wieder hereinkam, fragte ich sie, wer all diese Dinge bezahlte. Hatte sie all ihre Spargroschen zusammengekratzt?
Sie schüttelte den Kopf. »Xerxes hat sich Ma gegenüber höchst nobel verhalten. Sie zahlen alle Rechnungen, ohne daß man sie darum bitten muß. Und wenn du mir nicht sagen kannst, was mit meiner Mutter los ist, dann fahr' ich jetzt wieder ins Büro. Vielleicht kann mir's dort jemand erklären. Vielleicht engagiere ich auch einen Privatdetektiv.« Sie streckte mir die Zunge raus.
»Versuch's nur, du kleine Ratte. Alle Privatdetektive der Stadt sind vorgewarnt. Sie wissen, daß du ein zu großes Risiko bist.«
Sie lachte und ging. Ich blieb, bis Louisa ihr spärliches Mittagessen beendet hatte und wieder eingeschlafen war. Auf Zehenspitzen stahl ich mich aus dem Zimmer und versteckte den Schlüssel auf dem Sims der hinteren Veranda.
Warum waren diese Blutuntersuchungen durchgeführt worden, lange bevor sich jemand dafür interessiert hatte, die Firma zu verklagen? Vermutlich hatte es etwas mit dem Versicherungsbetrug zu tun, aber was? Bei Xerxes kannte ich niemanden, der es mir erklären würde. Blieb nur Miss Chigwell, obwohl deren Verbindung zu Xerxes nur oberflächlich und nicht unbedingt von Wohlwollen geprägt war. Aber nur über sie konnte ich etwas herauskriegen, und deswegen fuhr ich den weiten Weg nach Hinsdale.
Miss Chigwell war in der Garage und strich ihr Boot. Sie begrüßte mich auf die altbekannte barsche Weise, aber da sie mich zu einer Tasse Tee einlud, nahm ich an, daß sie sich über meinen Besuch freute. Sie hatte keine Ahnung, warum sie mit den Blutuntersuchungen bei Xerxes angefangen hatten. »Ich weiß nur noch, daß Curtis ziemlich aufgeregt war, weil alle Blutproben in ein Labor geschickt und die Befunde extra registriert wurden. Alle Angestellten bekamen eine Nummer. Deswegen hat er in seinen Notizen auch alle Namen festgehalten, damit er sich nicht um die Nummern kümmern mußte.«
Ich saß über eine Stunde in dem chintzbezogenen Sessel und aß unzählige Plätzchen, während sie laut darüber nachdachte, was sie tun würde, sollte ihr Bruder nicht wieder auftauchen.
»Ich wollte schon immer einmal nach Florenz«, sagte sie. »Aber jetzt bin ich wohl zu alt. Nie habe ich Curtis dazu kriegen können, ins Ausland zu fahren. Er hatte immer Angst, vom Essen oder vom Wasser eine furchtbare Krankheit zu bekommen oder
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