Blood Sun
Händen umfasst und stürzte sich auf das mächtige Tier.
Die hervorgetretenen Augen des Mannes wurden trüb, die Schlange quetschte ihm gerade den letzten Atem aus der Lunge. Während das Leben aus ihm entwich, glaubte er einen Dämon zu sehen, der mit gezücktem Speer auf ihn zusprang.
Max rammte seine Waffe in den Kiefer der Schlange und stieß mit aller Kraft zu. Er spürte den Rückstoß, als das Tier sich im Todeskampf herumwarf. Max stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Speer, drückte die Boa zu Boden und stemmte ein Bein auf ihren zuckenden Körper. Er schloss die Augen, überwand seine Angst, riss den Speer aus dem Leib und stieß erneut zu.
Donner schallte durchs Gebirge und Wolken schoben sich vor die Sonne. Max achtete nicht darauf. Schweißüberströmt hockte er auf der sich windenden Schlange und knurrte wie ein wildes Raubtier.
Schließlich wusste er, dass sie tot war. Er betrachtete das majestätische Tier und bedauerte seinen Tod für einen Moment.
Sein Verfolger lag rücklings im Schlamm. Max suchte einen Puls, fand aber keinen. Er hatte zu spät eingegriffen und den Mann nicht mehr retten können.
Mit einem Mal setzte ein heftiger Regenguss ein. Max warf den Kopf in den Nacken und ließ sich den Schmutz und den Schweiß abspülen. Dann öffnete er den Mund, um das herrliche Wasser zu trinken. Diese Erfrischung hatte sein mit Adrenalin überschwemmter Körper dringend nötig. Sonst rührte sich nichts. Der gedämpfte Schrei eines Vogels drang an sein Ohr, ein anderer antwortete ihm, und dann war außer dem Prasseln des Regens nichts mehr zu hören.
Der Regenguss endete genauso plötzlich, wie er angefangen hatte. Das schnelle Getrommel aufs Blätterdach wich dem leisen Geräusch herabfallender Tropfen. Aus den Augenwinkeln nahm Max eine sanfte Bewegung wahr. Ein Morphofalter öffnete seine Flügel. Sein schillerndes Blau bildete einen starken Kontrast zu all dem Grün. Ein kurzer Augenblick der Schönheit an einem Ort des Todes.
Max riss den Speer heraus und wandte sich um. Er musste die Schlucht finden. Eine Schlange hatte er besiegt, doch vor ihm lagen noch weitere unbekannte Gefahren. Max duckte sich wie ein Jaguar, der sich an seine Beute heranpirscht, und suchte einen Pfad durch den Dschungel. Zwischen den regennassen Blättern, die das Licht reflektierten, sah Max eine Gestalt vorbeihuschen. Er atmete den Geruch von nassem Fell ein.
Ohne zu überlegen, folgte er dem Wesen. Sein Geruchssinn und Gehör leiteten ihn. Er rannte gebückt weiter, bis er einen Tierpfad fand. Das raschelnde Laub und das Trippeln der Tatzen führten ihn durch ein düsteres Labyrinth, in das kaum Licht drang. Seine Füße traten auf Schlamm und er rutschte aus. Dabei knallte er mit der Schulter gegen einen verfaulten Stamm. Als er sich aufrichten wollte, erblickte er das Tier, das ihn hierhergeführt hatte. In vier Meter Entfernung stand ein Jaguar. Aber als Max für den Bruchteil einer Sekunde seine Augen schloss, war die Raubkatze fort. Hatte er sie sich nur eingebildet? Max bemerkte Spuren im Schlamm. Es konnte also doch keine Illusion gewesen sein. Die Großkatze hatte ihn an diese Stelle gelockt. Aufmerksam blickte Max zur Seite. Die Klippe war zu einem steilen, schlammigen Abhang geworden. Hier konnte er endlich zum Fluss hinuntersteigen.
Er hörte das Rauschen eines Wasserfalls. An Blattranken ließ er sich zu dem ungefähr sechzig Meter unter ihm liegenden Fluss hinab. Der Fluss war breit, aber nicht tief. Wenn man Vorsicht walten ließ, konnte man ihn durchqueren, ohne fortgespült zu werden. Neugierig betrachtete Max die im gegenüberliegenden Felsen klaffende Höhlenöffnung. Anscheinend hatte jemand eine Maske in das Gestein gemeißelt. Die Höhle sah aus wie ein weit aufgerissenes Maul mit schartigen Felsspitzen als Zähnen. Ein übel riechender Dunst drang wie fauler Atem daraus hervor. Das ganze Gebilde ähnelte dem Kopf einer Schlange. Das war sie also: die gefährliche Steinschlange. Max graute davor, in ihren Schlund zu steigen.
Konnte es sein, dass seine Mutter und sein Vater genau denselben Weg gegangen waren? Hatten sie auf der anderen Seite der Höhle dem Tod ins Auge geblickt? Seine Mutter war gestorben und sein Vater war weggelaufen. Es gab nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden.
Max trat in die Dunkelheit und ließ sich vom Atem der Schlange einhüllen.
21
R iga war nicht der Mensch, der untätig dasaß, wenn um ihn herum alles in Aufruhr geriet. Während er
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