Blood Sun
auf Nachrichten über den verschwundenen Jungen wartete, hatte er sich Landkarten und Satellitenfotos angesehen und abzuschätzen versucht, ob er noch am Leben sein konnte.
Cazamind war so wild entschlossen, Max Gordon auszuschalten, dass Riga zum ersten Mal in seiner Karriere wissen wollte, warum der Tod einer Zielperson dermaßen wichtig war. Nachdem er seine Kontakte aktiviert hatte, überkam ihn ein ungutes Gefühl angesichts der Schattenwelt, die Cazamind aufgebaut hatte. Gerüchten zufolge gab es Verbindungen zu einem Netzwerk hochrangiger und mächtiger Menschen, deren weltweiter Einfluss schwindelerregend war. Dieses Netzwerk glich einem riesigen Kraken und Cazamind saß zwischen den Augen des Tiers. Er war über alles informiert.
Riga dagegen hatte sich selbst nie wichtig genommen. Er kannte seinen Platz in der Welt. Solange ihm niemand in die Quere kam oder ihn mit falschen Informationen daran hinderte, seiner tödlichen Arbeit nachzugehen, hatte er keinen Grund, sich zu beschweren. Er konnte seine Nachforschungen über Cazaminds Aktivitäten nicht allzu weit treiben, ohne Misstrauen zu wecken. Der Kontrollfreak aus der Schweiz würde es gar nicht gut finden, wenn er ihm auf die Schliche kam. Riga musste vorsichtig sein und durfte nur Leute ansprechen, von denen er wusste, dass sie seine Anfragen für sich behalten würden. Sonst würde er seine Neugier noch mit dem Leben bezahlen.
Riga hatte immer wieder in den Sprechfunk hineingehört, über den sich die Männer sporadisch verständigten, die das Gebiet patrouillierten. Während er den Durchsagen lauschte, betrachtete er die Luftaufnahmen der bewachten Gegend.
Wenn Riga durch das Stereoskop schaute und die Bilder ein bisschen zurechtschob, verloren die Luftaufnahmen der steilen Berghänge allmählich ihre Flächigkeit und wurden dreidimensional.
Jetzt konnte er alles genau erkennen und ihm war klar, dass es niemand bis ins Tal schaffen würd e – nicht bei den Sicherheitsmaßnahmen, die Cazamind getroffen hatte. Riga betrachtete das Flussbett und entdeckte etwas, was wie Rauch aussah. Wahrscheinlich war das der Dunst eines Wasserfalls. Die Aufnahmen waren an einem klaren Tag vor einigen Jahren gemacht worden, die geologischen Merkmale hatten sich seither nicht verändert.
Plötzlich drangen panische Stimmen aus dem Sprechfunkgerät. Riga fuhr auf seinem Stuhl herum. Er konnte nicht genug Spanisch, um den zusammenhanglosen Rufen einen Sinn abzugewinnen. Deshalb ging er zur Tür und rief durch den Regen seinen Piloten herbei, der sogleich aus dem Hubschrauber stieg und zur Hütte gerannt kam.
»Was ist da los?«, fragte Riga und zeigte auf das Sprechfunkgerät.
Der Pilot hörte einen Moment zu. »Die haben irgendwelchen Ärger. Es sind Schüsse gefallen, drei der Männer sind wohl verschwunden. Der eine sagt, es wären Fremde in das Gebiet eingedrungen. Sie seien ihren Leuten entkommen.«
Riga drehte die Karte um, damit der Pilot draufschauen konnte. »Sprich mit ihm. Frag ihn nach seiner Position. Ich will genau wissen, wo er ist.«
Der Pilot nahm das Mikrofon, drückte den Rufknopf und sagte etwas in schnellem Spanisch. Er musste ein paarmal schreien, bis ihm der aufgeregte Mann am anderen Ende der Leitung eine Antwort gab.
Rigas Pilot strich mit dem Zeigefinger über die Kart e – vom Rand des Regenwalds bis zum geschlängelten Fluss. Dann zog er den Finger weiter nach Süden, wo der Wald schon gerodet war. »Hier müsste er sein.«
Riga las Karten, wie andere sich einen Film ansehen. Jeder Strich und jede Markierung wurden vor seinem geistigen Auge zu einem Bild. Er legte die Luftaufnahmen desselben Gebiets neben die Landkarte.
»Sag ihm, er soll dort bleiben«, befahl Riga. »Und mach den Hubschrauber startklar.«
Der Pilot sah ihn entgeistert an. Die tief hängenden Wolken hüllten die Berge bis hinunter zum Dschungel ein. In so ein Unwetter konnte niemand hineinfliegen.
»Das ist unmöglich, Señor! Wir könnten in einen Berghang stürzen oder in den Wald. Wir müssen abwarten, bis sich die Wolken verzogen haben.«
Riga hob unbeeindruckt den Rucksack vom Boden auf und griff nach seinem Gewehr. »Wir fliegen zwischen dem Wald und den Berge n – und zwar den Fluss entlang.«
Er war schon fast zur Tür hinaus, als der Pilot ihn einholte. »Señor Riga, dafür reichen meine Fähigkeiten nicht aus. Bitte warten Sie, es wird bald dunkel. Bis morgen hat sich das Wetter bestimmt aufgeklärt.«
Riga sah den Mann an, der ihn regelrecht
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