Blood Sun
Fingernägeln. Das war unansehnlich, unhygienisch und in diesem Falle schmerzhaft.
Er hatte damit angefangen, als Max Gordon seinen Leuten das dritte Mal entwischt war. Doch das war ja längst nicht alles: Jemand hatte sich in das Überwachungssystem der privaten Klinik eingehack t – das musste auch irgendwie in Zusammenhang mit dem Gordon-Bengel stehen. Der MI5 hatte jeden Zentimeter des Gebäudes abgesucht. Gott sei Dank war es seiner eigenen Truppe gelungen, vorher alle verdächtigen Spuren zu beseitigen und falsches Beweismaterial zu hinterlassen.
Seine Helfer in der Regierung würden die Agenten daran hindern, weitere Nachforschungen zu betreiben. Doch der MI5 war dem Geheimnis inzwischen erschreckend nahe gekommen. Wer hätte vor so vielen Jahren auch ahnen können, dass der Sohn dieser lästigen Umweltschützerin Helen Gordon einmal so eine große Gefahr darstellen würde?
Wenn Cazamind seine Auftraggeber enttäuschte, würde er die volle Verantwortung dafür tragen müsse n – und sterben wollte er nicht.
Gerade eben hatte sich die Lage noch einmal verschärft. Riga sprach mit ihm per Satellitentelefon. Der Killer war dem Jungen dicht auf den Fersen und davon überzeugt, den Auftrag schon bald abschließen zu können.
Jetzt wollte er Informationen über den Halbkessel in den Bergen, der jahrelang für niemanden von Interesse gewesen war. Cazamind bezahlte Gangster und ehemalige Drogenkuriere dafür, dass sie niemandem Zutritt zu diesem Gebiet gewährten. Er hatte den Regenwald zurückgedrängt, illegalen Abholzern Unterschlupf geboten, Umweltschützer bei ihrer Arbeit behindert und sogar getöte t – und das alles, um zu verschleiern, was sich in diesem Tal befand. Doch nun wollte Riga erfahren, was er dort zu erwarten hatte.
Die Antwort war einfach: den Tod.
»Fliegen Sie wieder nach Hause«, sagte Cazamind zu Riga, während er sich sorgsam ein Pflaster auf den eingerissenen Nagel klebte.
»Ich soll ihn entkommen lassen?«, fragte Riga entgeistert.
»Ja. Der Junge überlebt da drin sowieso nicht. Der kann uns nicht mehr schaden.«
»Bis jetzt hat er sich aber gar nicht schlecht geschlagen«, erwiderte Riga.
»Ich will nicht, dass Sie da reingehen«, sagte Cazamind. Es war ein Befehl.
Er konnte nicht riskieren, dass noch ein weiterer Außenstehender in dieses Terrain eindrang, erst recht nicht einer wie Riga, der auch wieder einen Weg nach draußen finden würde. Keine Außenstehende n – das war die goldene Regel. Wer einmal in dem Tal war, musste für immer dort bleiben.
Für einen Moment herrschte Stille. Riga überlegte anscheinend, was er antworten sollte. Cazamind war überrascht. Warum zögerte Riga? Weshalb bekam er kein schnelles Jawohl, Sir! zu hören? Der Killer hatte seinen Lohn doch schon längst erhalten.
»In Ordnung«, sagte Riga. »Ich hab’s verstanden.«
Cazamind beendete das Gespräch. Eine neue Sorge zerrte an seinen Nerven. Am Tonfall hatte er gehört, dass Riga ihn angelogen hatte. Der Profikiller würde den Befehl nicht befolgen, davon war er überzeugt. Riga würde allein da reingehen, weil ihn sein Ego dazu trieb, auch diesen schwierigen Job zu einem erfolgreichen Ende zu führen.
Das zwang Cazamind dazu, noch drastischere Maßnahmen zu ergreifen. Die Sache musste geheim bleiben und durfte ihm auf keinen Fall entgleiten. Dafür würde er sorgen. Er brauchte gewiss nicht mehr als zwölf Stunden, um an den Ort des Geschehens zu gelangen. Ihm tat der Finger immer noch weh, als er die Taste auf seiner Telefonanlage drückte.
»Eliminiert Riga!«, sagte er kalt.
Scharen von Fledermäusen, deren Körper kaum länger als Max’ Daumen waren, lösten sich aus der Dunkelheit und hüllten Flint und die beiden Jungen ein.
Max wusste, dass diese Fledermäuse ihren Opfern gar nicht das Blut aussaugten, wie die meisten Leute annahmen. Vielmehr ritzten sie mit ihren Schneidezähnen die Haut auf. Ein gerinnungshemmender Stoff in ihrem Speichel sorgte dann dafür, dass das Blut flüssig blieb, damit sie es mit der Zunge ablecken konnten.
Max presste sich mit dem Rücken an die Felswand und schwenkte Flints brennende Fackel hin und her, um die Tiere in die Flucht zu schlagen und den anderen die Gelegenheit zu geben, weiter hinabzusteigen. Xavier und Flint hatten aber beide die Hände vorm Gesicht, um die schmerzhaften Angriffe der gierigen Viecher abzuwehren.
Mit einem Mal stolperte Xavier. Er verlor den Halt und stürzte in die Tiefe. Sofort warf Max die brennende Fackel
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