Blood Sun
Informationen über die Routen und Umschlagplätze der Drogenschmuggler. Es sah so aus, als wollte Alejandro aussteigen, solange dies noch möglich war. Für die amerikanischen Geheimdienste war das ein gefundenes Fressen.
Drogendealer waren für den Schweizer Drahtzieher nicht von Interesse. Das Geheimnis, das er hütete, war viel schrecklicher und gefährlicher als der internationale Handel mit Rauschgift. Wenige Stunden nach Max’ Verschwinden hatte Cazamind die Berichte von Polizei und FBI ausgewertet und war dabei zu dem Schluss gekommen, dass Max Gordon nur zufällig in diese Geschichte hineingeraten war.
Die Drogenpolizei hatte die Hubschraubereinheit der US-Küstenwache beauftragt, Alejandro García aufzuspüren und festzunehme n – eine saubere Aktion zur Ergreifung eines abtrünnig gewordenen Drogendealers.
Sie würden Max Gordon finden und ihn zurück nach England schicken. Doch damit war Cazaminds Problem nicht gelöst. Nach allem, was Riga ihm über den Jungen erzählt hatte, war eines glasklar: Max Gordon würde keine Ruhe geben, bis er das Geheimnis um den Tod seiner Mutter gelöst hatte. Man musste ihn beseitigen, bevor er nach England zurückkehren konnte.
Cazamind griff zum Telefon. Die Aktion würde anders verlaufen. Aufspüren und Festnehmen reichten nicht aus. Man musste die Leute finden und vernichten.
In Alejandros Welt, in der es ständig um Millionen ging, waren Informationen ziemlich leicht zu erwerben. Es gab immer jemanden, der Geld für ein neues Fahrzeug brauchte, der sich eine kostspielige ärztliche Behandlung für seine Kinder nicht leisten konnte oder Schulden aus irgendwelchen krummen Geschäften abzahlen musste. Auf allen gesellschaftlichen Ebenen waren diese Informanten zu finden und einer von ihnen steckte Alejandro gerade übers Satellitentelefon, dass jemand ihn verraten hatte.
Alejandro packte den Gashebel und drosselte die Geschwindigkeit des Bootes. Dann drehte er sich um und rief mit eisiger Stimme: »Carlos!«
Der Mann trat vor und übernahm das Steuer.
Xavier zuckte zusammen, als sein Bruder ihn ungläubig anstarrte. »Du hast deinen eigenen Bruder VERRATEN?«, fragte Alejandro.
Xavier duckte sich hinter Max. Alejandro hatte keinen Schritt auf ihn zugemacht, aber er konnte auch Angst und Schrecken verbreiten, ohne eine Hand zu heben.
Alejandro befahl Carlos, das Tempo des Bootes noch weiter zu verringern. Es wurde langsamer und schaukelte schließlich sanft auf den Wellen. Nun herrschte eine beängstigende Stille.
»Die haben gesagt, sie können uns wegbringen und ein neues Leben geben!«, stammelte Xavier.
»Auf Drogenschmuggel steht aber die Todesstrafe!«, schrie Alejandro.
»Nein, nein! Wenn die jetzt kommen, gibt es keine Schwierigkeiten. Wir fahren nach Hause. Wir haben keine Drogen an Bord. Verstehst du? Die haben nichts gegen uns in der Hand«, sagte Xavier. »Das ist doch kein Leben, Bruder. Wir könnten in Amerika leben. Die kümmern sich um uns. Das haben sie versprochen!«
Die Männer waren entsetzt über den Verräter in ihren eigenen Reihen, konnten sich aber nicht einfach auf den Bruder ihres Anführers stürzen. Wenn der Junge sterben sollte, und daran war ja wohl nicht zu rütteln, dann durch Alejandros Hand.
»Es ist ein Ausweg«, sagte Max, um den drohenden Gewaltausbruch zu verhindern. »Die können euch absolut nichts vorwerfen.«
»Du irrst dich. Für Entführung gibt es lebenslänglich«, sagte Alejandro. Er lächelte traurig und schüttelte den Kopf. »Xavier, du bist ein Dummkopf. Du hast uns verraten, bevor der da an Bord gekommen ist.«
Xavier machte ein verblüfftes Gesicht.
»Soll ich ihn jetzt töten?«, fragte Alejandro. »Ihn ins Wasser schmeißen? Dann gibt’s keine Entführung, dann sind alle Beweise beseitigt.«
Max hätte von Bord springen können, doch dann hätten sie ihn sicher sofort abgeknallt.
»Er hat mir das Leben gerettet!«, rief Xavier.
»Und dafür hatte er was gut bei mir. Aber jetzt bist du nicht mehr mein Bruder.«
Alejandro zog eine Pistole aus seinem Gürtel und schob ein Magazin in die Kammer.
Gleich würden sie beide sterben.
»Er ist immer noch dein Bruder«, sagte Max verzweifelt. »Er hat das aus Liebe zu dir getan. Er wollte dich schützen.«
Alejandro hob die Pistole und zielte.
»Zu spät«, sagte er.
Er ließ die Waffe sinken. »Sie sind da.«
Das Hochleistungsboot der Küstenwache war noch meilenweit entfernt, aber ihr Kampfhubschrauber war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
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