Blood Sun
Wellen über den Sand, aber noch waren ihre Fußspuren deutlich zu erkennen. Der Strand war nur wenige Meter breit und stellenweise von dürrem Seetang überwuchert. Max rutschte auf dem Bauch zum Wasser zurück, strich den Sand glatt und schob auch den Tang wieder so zusammen, dass er wie unberührt aussah.
Zurück im Schutz der Bäume, beobachtete er das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Boot und Helikopter.
Das Boot schien nicht so wendig wie der Hubschrauber. Offenbar drang Wasser ein, nachdem es am Riff Schaden genommen hatte.
Das ferne Donnern der Brandung dämpfte das Geknatter der Schüsse. Die Bordgeschütze des Hubschraubers spuckten Flammen. Zwei der Männer im Boot richteten ihre Maschinenpistolen in die Luft, aber kaum hatten sie zu schießen begonnen, fielen sie von großkalibrigen Salven getroffen blutüberströmt über Bord. Die beiden anderen Männer lebten noch. Alejandro hatte die linke Hand am Steuer, mit der rechten schoss er auf die Angreifer.
Der Helikopter senkte das Haupt wie ein wütender Stier. Das laute Krachen drang bis zu Max und Xavier hinüber, als der Hubschrauber das Boot massiv unter Beschuss nahm, um den Widerstand endgültig zu brechen.
Eine grelle Flamme stieg in den Himmel, dehnte sich mächtig aus und fiel wieder in sich zusammen. Die Treibstofftanks des Bootes waren explodiert. Gleich darauf fegte die Druckwelle der Explosionen über die Jungen am Strand hinweg.
Xavier schrie auf und wollte ans Wasser laufen. Max versuchte ihn festzuhalten, aber der Junge entwand sich seinem Griff und rief den Namen seines Bruders.
»Xavier! Die können uns sehen! Lass das!«
Max warf ihn zu Boden und drückte ihn in den nassen Sand. Langsam wich die wilde Entschlossenheit aus den Augen des Jungen. Schließlich lag er entkräftet da und wehrte sich nicht mehr. Max half ihm wieder auf die Beine und schob ihn zurück unter die Palmen.
Der Hubschrauber drehte sich hierhin und dorthin wie ein Raubtier, das nach dem nächsten Opfer Ausschau hielt.
Max wollte nicht warten, bis sie entdeckt wurden. Er packte Xavier am Arm und floh mit ihm vom Strand.
Schon nach fünfzehn Metern wurde das Unterholz so dicht, dass sie kaum noch vorankamen.
Sie waren völlig durchnässt, zerkratzt und bluteten. Als ein Schatten über das Blätterdach flog, hielten sie unwillkürlich die Luft an.
Der Hubschrauber machte einen Schwenk. Max lauschte auf das Brummen und achtete darauf, dass Xavier dicht hinter ihm blieb.
Sie kauerten sich auf den Boden und beobachteten den Helikopter durch eine Lücke zwischen den Zweigen. Seine Rotoren wirbelten den dicken schwarzen Rauch auf, den die Explosion des Bootes verursacht hatte. Für Max sah er wie eine wutschnaubende Bestie aus.
Als die Besatzung sich davon überzeugt hatte, dass niemand mehr am Leben war, drehte der Hubschrauber endgültig ab und nahm Kurs auf sein Mutterschiff weit hinten am Horizont.
»Ich habe meinen Bruder getötet«, sagte Xavier. Als der Schock einsetzte, begann er am ganzen Körper zu zittern.
»Die Leute im Hubschrauber haben ihn umgebracht, nicht du. Sie haben dich angelogen. Wir sollten uns jetzt um deine Wunde kümmern, Xavier.«
Der Junge wich zurück. »Lass mich in Ruhe!« Tränen standen in seinen Augen.
Es wurde bereits dunkel. Max sah auf seine Uh r – zwanzig nach sechs. Es hatte keinen Sinn weiterzugehen. Er überlegte gerade, wie sie die Nacht in diesem gruseligen Dschungel überstehen sollten, als die Insekten auch schon das Ende des Tages einläuteten. Auf einmal lärmten überall Zikaden und Käfer schrillten wie tausend Kurzwellenradios.
Max zog Xavier an den Fuß eines Baums, der seine gewaltigen Wurzeln wie Tentakel vom Stamm ins Erdreich senkte. Die Stelle war alles andere als optimal. Er wollte auf keinen Fall hier unten schlafen, denn Spinnen, Ameisen, Schlangen und alle möglichen anderen Tiere schlichen nachts über den Dschungelboden.
Laub raschelte.
Wesen huschten umher.
Der Dschungel lebte.
12
M ax spähte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Er kniete am Boden und tastete ihn nach Gegenständen ab, die er als Waffe gebrauchen könnte. Er bekam einen Stock zu fassen und hielt ihn vor sich wie ein Schwert. Es war ein gutes Gefühl, etwas zu haben, womit man sich verteidigen konnte, selbst wenn ihm dieses Stück Holz nicht helfen würde, falls ihn etwas wirklich Gefährliches angreifen sollte. Tiere auf der Jagd brachten das Unterholz zum Knacken und Max wusste nicht, ob er und Xavier auf ihrem
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