Blood Sun
aufsetzte.
Max kletterte an der Liane herunter und folgte dem Geräusch der lärmenden Brandung. Er kam an den schmalen Strand, wo sie am Abend gelandet waren, und erkannte, dass Alejandro die einzige Stelle ausgewählt hatte, von der aus sie das Ufer hatten erreichen können. Sie befanden sich auf einer Landzunge; fünfzig Meter entfernt wuchsen die Mangroven an der Flussmündung entlang bis ins Meer. Es war höchst unwahrscheinlich, dass sie in diesem gefährlichen Dickicht auch nur ein paar Meter weit gekommen wären.
Der starke Wind erfrischte ihn, aber er verzichtete darauf, sich ins Wasser zu stürzen, um den Schmutz und Schweiß abzuwaschen, der an ihm klebte.
Das Boot der Küstenwache befand sich immer noch jenseits des Riffs, und in Ufernähe fuhren Männer in Schlauchbooten umher, um bei Tageslicht ein letztes Mal nach Leichen zu suchen.
Max blieb im Unterholz und kauerte sich in den Sand. Gleich darauf kam Xavier zu ihm. Er hatte offenbar kaum geschlafen, zitterte und war immer noch aufgeregt. Vielleicht war es mehr als Angst und Trauer, was ihm zu schaffen machte.
»Hey, nimmst du Drogen? Bist du auf Entzug?«
Xavier machte ein aufrichtig bestürztes Gesicht. »Drogen?«, sagte er. »Soll das ein Witz sein? Alejandro würde mich umbringen, wenn ich dieses Zeug auch nur anrühren würde. Ich brauche eine Zigarette. Hast du welche dabei?«
Max war erleichtert, dass es nur darum ging. Er schüttelte den Kopf.
Xavier zuckte mit den Schultern und zeigte in Richtung Meer. »Die sind immer noch hier?«
»Sie bleiben bestimmt nicht den ganzen Tag da. Wir müssen einfach warten, bis wir etwas unternehmen können«, sagte Max. Er überlegte schon, wie sie von der dicht bewaldeten Halbinsel wegkommen konnten.
»Was unternehmen? Das ist völlig aussichtslos! Wir werden sterben, so sieht die Sache aus. Wir sind mitten in der Wildnis. Hier lebt kein Mensch, hier kommt auch keiner vorbei. Nur Drogenschmuggler mit ihren Booten. Ich mach dir einen Vorschlag: Wir warten, bis die weg sind, dann machen wir ein großes Feuer. Mit viel Rauch. Dann kommen die uns mit ihren Booten holen.«
Während er Xavier zuhörte, beobachtete Max das Schlauchboot, das in dem seichten Wasser um das Riff herumkurvte. Er hatte den Eindruck, dass die Männer die Suchaktion abbrachen und zu ihrem Mutterschiff zurückwollten.
»Tu das, wenn du willst«, erwiderte Max, »aber womit willst du das Feuer machen? Und falls es dir gelingt, wie willst du so lange überleben, bis irgendjemand den Rauch bemerkt? Du hast nichts zu essen, du hast nichts zu trinken. Ich schätze, in weniger als einer Woche bist du tot. Glaubst du wirklich, deine Drogenschmuggler-Freunde haben noch nichts von dem Angriff hier gehört? Sie werden erst mal für eine Weile untertauchen. Sie kommen doch nicht hier vorbei, während die Küstenwache in diesen Gewässern kreuzt.«
Max schob sich wieder durch das Unterholz, Xavier blieb dicht hinter ihm.
»Wir brauchen Wasse r – und zwar sofort, sonst überleben wir nicht mal diesen Tag«, sagte Max.
Oberhalb der Hochwassermarke begann Max im Sand zu scharren und wühlte ein paar fächerförmige Muschelschalen heraus. »Wir müssen Steine finden, die wie diese Muscheln aussehen, möglichst scharfe.« Max strich mit einem Finger über den schartigen Rand. Er winkte den Jungen zu sich unter die Bäume und begann zu suchen. »Wir brauchen etwas, womit wir schneiden können. Du willst trinken? Dann finde einen scharfkantigen Stein.«
Immer darauf achtend, dass sie von den Leuten der Küstenwache nicht gesehen werden konnten, sammelten sie innerhalb von zwanzig Minuten ein halbes Dutzend Steine. Max nahm einen davon, ging zu einer Palme und schabte einen Haufen Fasern von ihrem Stamm. Er drehte sie zu einem langen, kräftigen Strick, hob ein Stück Holz vom Boden auf, spaltete es an einem Ende mit dem scharfen Stein und klemmte diesen dann in den Spalt. Mit dem Faserstrick umwickelte er das Holz oberhalb und unterhalb des Steins, um ihn festzumachen. Max hatte eine einfache Axt hergestellt.
Er griff nach einer Liane und schlug darauf ein. Nach drei oder vier Versuchen gelang es ihm, ein zwei Meter langes Stück abzutrennen. Er drückte den Daumen auf das Ende, wie man es tut, wenn man einen Gartenschlauch zuhält.
»Mach den Mund auf«, sagte er zu Xavier. Dann hielt er ihm die Liane über die Mundöffnung und zog den Daumen weg. Wasser tröpfelte heraus.
Es schmeckte etwas holzig, aber beide tranken es gierig.
»Wo
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