Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
Woche vor dem Überfall. Sonya und ich haben Abendessen geholt, und ein Mann hat uns angesprochen und behauptet, sie aus Kentucky zu kennen. Sie war ziemlich durch den Wind, weil sie während der ganzen Zeit ihres Aufenthaltes dort eine Strigoi und natürlich nicht viel in Gesellschaft von Menschen gewesen war.«
Adrian brauchte einige Sekunden, dies zu durchdenken. »Also … du willst damit sagen, sie hatten sie schon seit einer Weile beobachtet.«
»In Wahrheit hast du das gesagt.«
»Richtig. Weil ich ein Genie bin.« Noch mehr Schweigen folgte, während wir beide die Implikationen von Sonyas Situation bedachten. Als Adrian wieder das Wort ergriff, war sein Ton nicht annähernd so unbeschwert. »Sage … gestern Nacht. Du hast meine Bemerkung über Vampirjäger nicht beantwortet.«
»Die Alchemisten haben keine Unterlagen über moderne Vampirjäger«, sagte ich automatisch. »Mein Dad meinte einmal, dass gelegentlich mal ein Mensch die Wahrheit herausfindet. Ich hatte mir gedacht, dass ihr Überfall etwas in dieser Art war – nicht eine riesige, organisierte Gruppe oder Verschwörung.«
»Ist es ansatzweise möglich, dass die Alchemisten irgendwie, irgendwo etwas übersehen haben könnten? Und was genau meinst du mit ›modern‹?«
Man hatte mir die Geschichte der Alchemisten beinahe ebenso gründlich eingetrichtert wie die Philosophien, die unseren Handlungen zu Grunde lagen. »Vor langer Zeit – ich meine, damals im Mittelalter – , als sich die Alchemisten zusammenschlossen, hatten viele einzelne Gruppen unterschiedliche Vorstellungen davon, wie man mit Vampiren umgehen sollte. Niemand dachte, dass Menschen mit ihnen Kontakt haben sollten. Jene, die am Ende meine Gruppe bildeten, befanden, dass es das Beste sei, gerade so viel mit den Moroi zusammenzuarbeiten, wie nötig sei, um sie von Menschen fernzuhalten. Aber es gab andere, die sich gegen diese Herangehensweise entschieden. Für sie bestand die beste Möglichkeit, die Menschen von den Vampiren fernzuhalten, darin, die Vampire auszulöschen – und zwar mit allen Mitteln.« Ich zog mich wieder hinter Tatsachen, hinter Geschichte zurück, meine alte Rüstung. Wenn ich dieses Argument wegdiskutieren konnte, würde ich nicht zugeben müssen, was es bedeutete, dass es Leute gab, die aktiv Jagd auf Moroi machten.
»Klingt nach Vampirjägern«, bemerkte Adrian.
»Ja, aber sie waren nicht erfolgreich. Es gab einfach zu viele Vampire, Moroi und Strigoi, als dass eine solche Gruppierung sie hätte auslöschen können. Die letzten Unterlagen, die wir über sie haben, stammen aus, oh, ich würde sagen, aus der Renaissance. Diese Jäger sind schließlich von der Bildfläche verschwunden.« Selbst ich konnte die Unsicherheit in meiner Stimme hören.
»Du hast gesagt, auf dem Schwert seien alchemistische Symbole gewesen.«
»Alte Symbole.«
»Alt genug, um aus der Zeit zu stammen, in der sich diese Splittergruppe losgesagt hat?«
Ich seufzte. »Ja. So alt.«
Ich wollte die Augen schließen und in meinen Sitz zurücksinken. In meiner Rüstung bildeten sich Sprünge. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich die Idee von Vampirjägern akzeptieren konnte, aber die Möglichkeit war nicht mehr auszuschließen.
Ich sah, dass mich Adrian aus dem Augenwinkel beobachtete. »Warum der Seufzer?«
»Weil ich das alles schon früher hätte zusammenfügen sollen.«
Das Eingeständnis schien ihn sehr zu freuen. »Nun, du glaubst nicht an Vampirjäger. Dann fällt es schwer, in ihnen wirklich eine echte Bedrohung zu sehen, wenn man in einer Welt aus Fakten und Daten operiert, hm? Aber andererseits … wie sollten sie so lange von euch unentdeckt geblieben sein?«
Jetzt, da Adrian mir die Saatkörner gegeben hatte, arbeitete mein Verstand bereits an der Idee. »Weil sie nur Strigoi töten – falls diese Jäger tatsächlich existieren. Falls sich eine Gruppierung über Moroi hermachen sollte, würden deine Leute es bemerkt haben. Die Strigoi sind nicht auf die gleiche Weise organisiert, und selbst wenn sie es bemerkt haben sollten, würden sie uns die Morde nicht melden. Außerdem werden Strigoi ständig von Moroi und Dhampiren getötet. Einige Tote würde man einfach euch zuschreiben – falls sie überhaupt gefunden würden. Wirf einen Strigoi in die Sonne hinaus, und er ist wie vom Erdboden verschluckt.« Erleichterung durchflutete mich bei meiner Schlussfolgerung. Falls eine solche Gruppe tatsächlich existierte, konnten sie keine Moroi töten. Die Jagd auf Strigoi
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