Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
war ebenfalls dankbar, aber als ich sah, wie sehr er sich um sie kümmerte, stiegen alle meine alten Sorgen wieder an die Oberfläche. Sie stand jedoch zu ihrem Wort. Zwar erwiderte sie seine Aufmerksamkeiten freundlich, aber man konnte es eindeutig nicht flirten nennen. Er machte jedoch kein Geheimnis aus seinen Absichten, und ich war nach wie vor der Ansicht, dass es besser wäre, wenn sie nichts mit ihm zu tun haben musste. Ich hatte es ernst gemeint, als ich sagte, ich würde ihr vertrauen. Aber ich konnte nicht umhin zu denken, dass es für alle Beteiligten erheblich leichter wäre, wenn er auf seine Annäherungsversuche verzichtete. Da wäre wohl ein Gespräch vonnöten.
Obwohl mir vor dem graute, was ich tun musste, fing ich Micah vor den Umkleideräumen ab. Wir warteten beide darauf, dass Jill fertig wurde, und ich nutzte die Zeit mit ihm allein.
»Hey, Micah«, grüßte ich ihn. »Ich muss mit dir reden … «
»Hey«, antwortete er strahlend. Seine blauen Augen waren groß und aufgeregt. »Ich hatte eine Idee, die ich mit euch besprechen wollte. Wenn ihr kein Attest für sie besorgen könnt, dann könntest du es vielleicht so hinbekommen, dass ihr Stundenplan geändert wird. Sie sollte Sport lieber in der ersten Stunde belegen, dann wäre es noch nicht so heiß wie jetzt. Vielleicht wäre das nicht ganz so hart für sie. Ich meine, sie macht doch schon den Eindruck, als würde sie recht gern an einigen dieser Stunden teilnehmen.«
»Das stimmt«, erwiderte ich langsam. »Und das ist wirklich eine gute Idee.«
»Ich kenne einige Leute im Sekretariat. Ich werde sie bitten, verschiedene Möglichkeiten durchzuspielen und zu sehen, ob es sich mit dem Rest ihrer Kurse überhaupt vereinbaren lässt.« Er zog gespielt eine Schnute. »Ich fände es zwar schade, wenn sie nicht mehr in unserem Kurs ist, aber das wäre mir die Sache wert, wenn sie sich dann nicht mehr so elend fühlt.«
»Ja«, stimmte ich ihm schwach zu und wusste plötzlich nicht weiter. Er hatte da wirklich eine gute Idee gehabt. Er war sogar so selbstlos, sich um die Chance zu bringen, mit ihr zusammen zu sein, nur damit er ihr helfen konnte. Wie konnte ich jetzt noch das Gespräch mit ihm führen? Wie konnte ich plötzlich sagen: »Lass meine Schwester in Ruhe!«, wenn er sich förmlich überschlug, so nett zu sein? Ich war genauso schlimm wie Eddie und vermied eine Konfrontation mit Micah. Der Junge war liebenswerter, als ihm selbst guttat.
Bevor ich eine Antwort zustande bringen konnte, schlug Micah eine unerwartete Richtung ein. »Du solltest sie aber wirklich zu einem Arzt bringen. Ich glaube nicht, dass sie eine Sonnenallergie hat.«
»Oh?«, fragte ich überrascht. »Hast du denn nicht gesehen, wie sie jeden Tag beim Sportunterricht leidet?«
»Nein, nein, glaub mir, sie hat eindeutig ein Problem mit der Sonne«, versicherte er mir schnell. »Aber vielleicht wurde nicht die richtige Diagnose gestellt. Ich habe etwas über Sonnenallergien gelesen, und normalerweise bekommen die Leute dann einen Ausschlag. Diese allgemeine Schwäche, die sie befällt … ich weiß nicht. Ich meine, es könnte etwas anderes sein.«
O nein. »Was denn zum Beispiel?«
»Keine Ahnung«, meinte er. »Aber ich werde weitere Möglichkeiten überprüfen und es dich wissen lassen.«
Wunderbar.
Der Sportunterricht bescherte mir auch einen ersten Blick auf eine der Metallic-Tätowierungen der Amberwoods in Aktion. Es war unmöglich, Greg Slade während des Unterrichts nicht zu beobachten, und ich war keineswegs die Einzige, die abgelenkt wurde. Genau wie Kristin und Julia vorhergesagt hatten, war er jetzt wirklich schneller und kräftiger. Er fischte noch Bälle heraus, auf die so rasch niemand sonst reagieren konnte. Wenn er den Ball traf, war es ein Wunder, dass wir nicht kurz darauf einen Überschallknall hörten. Zwar trug ihm dies zuerst Lob ein, aber schon bald fiel mir eine merkwürdige Sache auf. Sein Spiel hatte etwas Schlampiges. Er war ein echtes Talent, ja sicher, aber manchmal auch völlig unkonzentriert. Diese mächtigen Schmetterschläge halfen nicht immer, weil er den Ball ins Aus hämmerte. Und wenn er zu einem Angriffsschlag losrannte, achtete er nur selten auf seine Mitspieler. Als ein Junge aus meinem Englischkurs deswegen einfach auf den Rücken flog, weil er Slade und dem Ball im Weg gestanden hatte, brach Miss Carson das Spiel ab und brüllte ihr Missfallen über Slades aggressive Spielweise heraus. Darauf reagierte er mit einem
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