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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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Fußboden. Er hockte sich auf die Fersen und konzentrierte sich auf die Türschwelle. Einen Sekundenbruchteil lang hatte er etwas aufschimmern sehen, dann war es plötzlich wieder verschwunden. Er beugte sich vor, und unvermittelt sprang ihm aus der Topographie der Holzmaserung die nahezu schnurgerade Linie eines gelblichen, fast weißen Haares entgegen.
    Er ließ sein geistiges Auge herumschweifen. Das Haar war etwa fünfundsechzig Zentimeter lang und hauchdünn. Mehr weiß als gelb. Er hoffte, dass Hausers Leute es eingetütet hatten.
    Warum hatte er gestern nichts davon gesagt? Weil er es gewohnt war, mit den Jungs vom FBI zusammenzuarbeiten, und deren Spurensicherung übersah so etwas nicht. In gewisser Weise war es ein Test. Ein Test, den Hausers Leute hoffentlich bestanden hatten.
    In ein paar Stunden würde er sich mit der Gerichtsmedizinerin treffen, und dann gab es sicher schon Antworten auf viele Fragen. Bis er mit der Ärztin gesprochen und Madame X und das Kind untersucht hatte, konnte er nur auf das dreidimensionale Modell in seinem Kopf zurückgreifen. Wenigstens ließen sich damit ein paar Stunden totschlagen.
    In seinem Kopf verließ Jake das Zimmer mit dem gelben Haar, drehte sich um und ging durch die Diele zu dem Raum, in dem der Mörder Madame und Klein X auf dem Fußboden hatte liegenlassen. Er starrte auf sie hinunter. Seine Augen stocherten in der blutroten Schweinerei nach … nach …
    Â»Kann ich etwas zu trinken haben?«, fragte eine Stimme aus der Dunkelheit, und das 3-D -Modell zerbröselte vor Jakes Augen. Er saß wieder im Krankenhaus auf seinem Stuhl in der Ecke und musste ein-, zweimal heftig blinzeln, bevor er erkannte, dass sein Vater ihn anstarrte.
    Er hatte nie seine Bodenständigkeit verloren, was ihn bei Kritikern und Fans gleichermaßen beliebt gemacht hatte. Nie tat er so, als wäre er etwas Außergewöhnliches oder Besonderes. Er war seiner Meinung nach einfach das, was er war: ein Maler. Und jetzt war er ein durstiger Maler. »Also, Schwachkopf, kriege ich jetzt was zu trinken?«, fragte er wieder, während sich seine Stimme in einem Anflug von Irritation hob.
    Jake stand auf. »Etwas zu trinken? Sicher.« Dann erinnerte er sich, was Schwester Rachael ihm über den Scotch erzählt hatte. »Es gibt nur Wasser. Keinen Scotch.« Während er seinem alten Herrn in die Augen sah, spürte er absolut nichts, nicht einmal eine Spur des alten Gifts. Und die grimmige Miene des Alten löste keine Alarmsignale aus wie früher. Andererseits fragte er sich, ob er überhaupt noch so etwas wie Alarmknöpfe besaß und sie nicht längst irgendwo verloren hatte.
    Der alte Mann lächelte, als spräche er zu jemandem mit beschränktem Verstand. »Natürlich gibt es keinen Scotch. Das ist ein Krankenhaus. Glauben Sie, die servieren in einem Scheißkrankenhaus Scotch? Was für eine Art von Pfleger sind Sie eigentlich? Hocken bloß da und glotzen. Sollten Sie mir nicht etwas vorlesen oder mir den Arsch kratzen oder sonst einen Scheiß, weil ich ja nichts selbst tun kann?« Er hielt die Hände in die Höhe, zwei nutzlose Stümpfe aus weißer Gaze mit schwarzen und roten Flecken, wo das Blut durchgesickert war. »Wie wär’s, wenn Sie …«
    Und dann verstummte er abrupt, als hätte ihm jemand den Stecker aus dem Stimmabnehmer gezogen. Nachdem er eine Weile lang Jakes Gesicht betrachtet hatte, sagte er: »Sie sehen ein wenig aus wie Charles Bronson. Mein Sohn hat auch …« Schwer atmend betrachtete er Jakes Gesichtszüge. »Ich kann es in deinen Augen sehen«, sagte der alte Mann, und alles an ihm wurde plötzlich ganz still.
    Â»Was sehen?«, fragte Jake.
    Â»Die Toten tauchen wieder auf.«

11
    Es war kalt und feucht im Raum, und die Luft schmeckte nach Stahl und Desinfektionsmitteln. Aber das Licht war gut, und Dr. Nancy Reagan führte ein sauberes Labor. Es gab nur zwei feste Autopsietische, und Jake war dankbar, dass nicht Hauptsaison war. Er fragte sich oft, wie die kleinen Reviere auf dem Land es mit ihren begrenzten Ressourcen jemals schafften, Kriminalfälle zu lösen. Der Gerichtsmedizin im Großraum Manhattan standen ständig fünfundsechzig Autopsietische und ein vierstöckiges Labor zur Verfügung, die zusammen einen gesamten Häuserblock einnahmen. Die Reserve von fast tausend faltbaren Einheiten für den Fall

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