Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
Vom Netzwerk:
kleines Stück von ihr gestorben wäre. Danach hatte der kleine Junge immer Angst vor seinem Vater gehabt, hauptsächlich deshalb, weil seine Mutter anfing, sich zu verhalten, als lebte sie auf geborgte Zeit.

19
    Der Pool hatte wie der Rest des Hauses den Punkt der Vernachlässigung weit überschritten und war auf dem besten Weg, ein eigenes Ökosystem zu entwickeln. Die Oberfläche war mit einer Schicht aus Algen und Seerosen bedeckt. Eine Ente schwamm, gefolgt von einer Reihe schon fast ausgewachsener Küken, am Rand entlang. Dahinter lag das durchhängende Geländer der Terrasse, dann kam der Strand, und der Atlantik erstreckte sich bis ans Ende der Welt.
    Aber Jake Cole nahm nichts davon wahr, auch keine Geräusche, denn er war in seine Arbeit vertieft. Er hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht, und kalt gewordener Kaffee wirbelte in einer losen Spirale in seiner Tasse herum. Sie ähnelte dem Auge von Dylan, der noch anderthalb Tage entfernt war. Jakes Verstand hatte sich in den Räumen des Hauses weiter oben am Strand verloren. Er war allein und bewegte sich durch das tote Haus, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was Hauser mit seinem Flaggenanstecker davon halten mochte. Er streifte durch die Zeit und registrierte Einzelheiten.
    Den Blick fest auf seinen Mac geheftet, arbeitete er sich durch beinahe 1300 hochauflösende Bilder, die Conway geschossen hatte. Der Fotograf hatte gute Arbeit geleistet. Hausers eigene Aufnahmen waren auch in Ordnung, aber nur durchschnittlich, und Jake machte diesen Job lange genug, um zu wissen, dass er die Sache auf seine eigene Art anpacken musste. Er war froh, dass Conway verstanden hatte, worum es ging.
    Meistens folgte er den typischen FBI -Protokollen. Das Büro hatte eine solide forensische Methodik entwickelt, die alle denkbaren Fälle abdeckte. Von der Datenbank für genetische Profile, CODIS , bis zur Abteilung für Verhaltensanalyse arbeitete alles nach wissenschaftlich fundierten Prinzipien. Aber was Jake tat , seine eigene Arbeitsweise, wurde von vielen der Mitarbeiter mit mehr als nur einem Hauch von Skepsis betrachtet. Ihm war bewusst, dass die seltsamen Seitenblicke, die sie ihm zuwarfen, ein Resultat seiner guten – guten! – Ergebnisse waren. Die Leute hielten seine Methode einfach für eine Art sechsten Sinn, sie verstanden sie nicht. Und mit Erklärungsversuchen säte er eher noch mehr Verwirrung, als die Sache plausibler zu machen.
    Jake glaubte nicht an Parawissenschaften. Er glaubte nicht an Hellseher oder Medien und den ganzen anderen nicht verifizierbaren Unsinn, den das Fernsehen so gern ausschlachtete. Jake hatte keine Visionen, er sah keine Auren, und er beschwor keine Geister herauf, auch wenn die Leute das annahmen. Nein, der Prozess, dessen sich Special Agent Jake Cole bediente, war wenig mehr als ein verblüffender Taschenspielertrick, den es schon im 19 . Jahrhundert gab.
    Jake wusste, dass man nie einen wissenschaftlichen Beweis für übersinnliche Kräfte gefunden hatte. Niemals. Kein einziges Mal. Die Leute glaubten daran, weil sie es wollten. Sie ließen sich einwickeln und offen täuschen, aber die große Wahrheit lautete, dass niemals bei einem Experiment unter kontrollierten Bedingungen sogenannte übernatürliche Kräfte nachgewiesen werden konnten, höchstens eine außerordentlich geschärfte Beobachtungsgabe. Und genau dieser bediente sich auch Jake. Er sprach nicht mit den Toten oder mit der Geisterwelt. Er beobachtete. Observierte. Sah ganz genau hin. Und verarbeitete. Die Trickbetrüger, die sich als Hellseher ausgeben, nennen das Cold Reading .
    Er löste Rätsel – so einfach war das.
    Das Element des Übernatürlichen, das seine Mitarbeiter zu sehen glaubten, war lediglich ein Ausdruck ihrer Verwirrung angesichts einer mentalen Präzision, die sie selbst nicht nachvollziehen konnten. Wie ein Mensch mit musikalischer oder mathematischer Inselbegabung, war Jake in der Lage, verborgene geistige Ressourcen anzuzapfen. Das führte dazu, dass sich die Leute in seiner Gesellschaft unwohl fühlten. Manche hatten sogar Angst.
    Jake war kein Profiler. Sein Talent lag darin, den technischen Vorgang eines Mordes bis ins Detail zu rekonstruieren. Es war eine subtile Wissenschaft, in der eine winzige Nuance zu völlig unterschiedlichen Szenarien führen konnte. Er änderte nie seine Meinung über einen Fall, weil er sich einfach kein

Weitere Kostenlose Bücher