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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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hatte verärgert reagiert, und als ihn die Beamten fragten, ob er seinen Anwalt bei der Hausdurchsuchung dabei haben wollte, hatte Sir Cathcart bejaht, obwohl es das letzte war, was er wollte; dann hatte er seine Meinung geändert und es mit einer anderen Taktik probiert. Die war auch fehlgeschlagen. »Der Polizeipräsident hält sich heute in London auf, Sir. Wenn Sie seinen Stellvertreter sprechen möchten ...« Darauf hatte Sir Cathcart verzichtet und die Schmach ertragen, in die Botanic Lane gefahren zu werden, weil es, wie der Sergeant erklärt hatte, keinen guten Eindruck machte, wenn man wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten würde. Gar nichts hatte einen guten Eindruck gemacht. Die Architekten im Erdgeschoß hatten sein Eintreffen interessiert beobachtet, und als sie in sein, wie es Sir Cathcart früher scherzhaft genannt hatte, kleines Liebesnest kamen, hatte ihn das dortige Chaos völlig unvorbereitet getroffen. Überall waren unübersehbare Anzeichen für Myrtles vergeblichen Kampf mit dem Latexkostüm, und die Schnapsflasche lag immer noch auf dem Schlafzimmerfußboden. Im Bad sah es noch übler aus. Die Folgen des Schnapsexzesses fanden sich im Waschbecken, die Zahnbürste und der alte Naßrasierer lagen auf dem Boden herum, und es stank bestialisch. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
    »Ein Einwegspiegel, hm? Und eine Videokamera. Wer hätte das gedacht. Sieht ganz so aus, als stünde da jemand auf Pornos. Da brauchen wir wohl einen Fotografen und die Spurensicherung«, sagte der Inspektor und schlug vor, draußen im Wagen zu warten. Der General ging nach unten, absolvierte den Spießrutenlauf am Architekturbüro vorbei und nahm in dem Polizeiauto Platz. Was den Anwalt betraf, hatte er seine Meinung geändert.
    »Sie können das Autotelefon benutzen, Sir«, sagte man ihm. Eine Stunde später stiegen alle samt dem Anwalt, einem sehr angesehenen Anwalt, der sich nicht anmerken ließ, ob er General Sir Cathcart D’Eath schon einmal unter angenehmeren Umständen begegnet war, die Treppe nach oben und inspizierten die Zimmer erneut. Die Lederfesseln und der aufblasbare Knebel wurden beschlagnahmt.
    »Sie brauchen keine Aussage zu machen, und ich rate Ihnen, es zu unterlassen«, teilte der Anwalt Sir Cathcart mit und verlangte, daß man seinen Klienten nach Hause gehen ließ. Der General fuhr mit dem Taxi nach Coft Castle zurück, wo ihn ein junger Zeitungsreporter ablichtete, der sich zufällig gerade dort herumtrieb.
    Sir Cathcart D’Eath saß allein mit einem Revolver und einer Flasche Chivas Regal in seinem Arbeitszimmer und überlegte, ob er diese verfluchte Myrtle Ransby erschießen sollte. Und vielleicht gleich in einem Aufwasch ein paar Polizisten mit.

38
    Als das Trimesterende näherrückte und man Anstalten machte, die Zelte für den Maiball aufzubauen, traf Hartang beinahe unbemerkt in Porterhouse ein. Sein Wagen, keine extralange Limousine mit schwarzen Fenstern, sondern ein drei Jahre alter Ford, ebenso unauffällig wie Hartang persönlich, rollte in den alten Wagenschuppen, und der designierte Rektor stieg aus und betrachtete das Sammelsurium alter Autos: den buckligen Rover des Dekans, den uralten Armstrong Siddeley des Kaplans und Professor Pawleys noch älteren Morris. Nach nur hundert Kilometern Fahrt hatte er die Sicherheit und sterile Modernität des Transworld Centre gegen ein Mausoleum für Oldtimer eingetauscht. Selbst die riesigen eisernen Riegel an den Türen des Wagenschuppens beunruhigten ihn in ihrer Einfachheit, und die an einer weißgetünchten Schuppenmauer hängende hölzerne Heutrage zeugte sogar von einer noch archaischeren Lebensweise. Der Boden war mit Kopfsteinen gepflastert und ölfleckig. Hartang betrachtete all das mißtrauisch und hatte das Gefühl, eine Niederlage erlitten zu haben. »Wenn Sie mir einfach folgen würden, Sir«, sagte der größere der beiden Männer, die ihn auf der Fahrt begleitet hatten. »Wir können unbeobachtet zum Rektorenhaus rübergehen.« Er öffnete eine Seitentür und trat ins Freie. Hartang folgte ihm nervös und blinzelte in die helle Sonne. Seine Augen, nicht mehr von der dunkelblauen Sonnenbrille geschützt, schmerzten in dem Licht, und um dem gleißenden Schein zu entgehen, senkte er beim Gehen den Kopf, bis sie die Diele des Rektorenhauses betreten hatten. Auch hier atmete alles Vergangenheit: das Inventar aus solider schwarzer Eiche und dunklem Mahagoniholz, der alte Hutständer mit geschwungenen Schnitzereien. Die

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