Bloody Mary.
außer daß er gewillt schien, einen finanziellen Beitrag zu leisten. Wenigstens hoffte der Schatzmeister das. Sicher konnte er sich nicht sein, aber ein Mensch, dem das Schicksal von Wäldern und Oktopusbabys so sehr am Herzen lag, daß er irgendwann extreme Maßnahmen ergreifen mußte, um sich – wie zu vermuten stand – vor der mörderischen Aufmerksamkeit amazonischer Holzfäller und spanischer Fischer zu schützen, mußte erstaunlich wohltätig orientiert sein. Oder verrückt. Einige seiner Äußerungen ließen auf letzteres schließen, und vor allem einen Punkt konnte er weder vergessen noch auch nur ansatzweise verstehen. Es ging um »die Notwendigkeit, eine kurzlebige Erscheinung von Permanenz« zu erzeugen. (Und diese Formulierung oder dieses Konzept oder was es auch sein mochte streifte das verwirrte Hirn des Schatzmeisters nicht nur flüchtig, sondern verkeilte sich dort regelrecht und fühlte sich so zu Hause, daß der Schatzmeister später in seinem Leben abrupt aufwachte und um drei Uhr morgens seine Frau mit der Frage erschreckte, wie in Gottes Namen eine Erscheinung von Permanenz kurzlebig sein könne, wo sie doch definitionsgemäß das genaue Gegenteil sei. Aber die Frau des Schatzmeisters konnte ihm auch nicht weiterhelfen. Und gesagt zu bekommen, bei dieser Aussage handele es sich um ein Paradoxon, trug ebenfalls nicht zu seinem Seelenfrieden bei. »Ein Paradoxon? Ein Paradoxon? Natürlich ist es ein verfluchtes Paradoxon. Ich weiß, daß es ein Scheißparadoxon ist«, brüllte er sie an. »Ich bin schließlich nicht behämmert. Ich will bloß wissen, was dieser grauenhafte Mensch mit ... welche Bedeutung er dieser Aussage beimaß.« – »Vielleicht sollte es ja nichts Besonderes heißen«, gab seine Frau zu bedenken, doch da war sie an den Falschen geraten. »Du hast ihn nicht kennengelernt«, sagte er. »Und ich sage dir, es sollte etwas heißen.«
Doch nun saß der Schatzmeister bloß da, schaute aufmerksam in die dunkelblauen Brillengläser, nickte gelegentlich und fragte sich im stillen, warum ein so offensichtlich reicher Mann wie Edgar Hartang eine so offensichtlich billige Perücke trug. Noch erstaunter war er, als der Servierwagen hereingeschoben wurde und er sich genötigt sah, fünf gewaltige Gänge von etwas zu essen, was für den Tycoon offenbar ancienne cuisine verkörperte, während sich Hartang persönlich mit den köstlichsten Tellern der Nouvelle-Variante vergnügte. Selbst der Wein, ein sehr schwerer Burgunder, war dem Schatzmeister zu mächtig, und mehrmals warf er fast neidische Blicke auf die Flasche Vichy-Wasser seines Gastgebers. Doch wenigstens wurden im Laufe des Essens Hartangs Gesprächsbeiträge klarer. »Sie fragen sich bestimmt, warum ich mich genauso salopp kleide wie alle anderen, die hier bei Transworld Television Productions arbeiten.« Er verstummte und nippte an seinem Mineralwasser.
»Der Gedanke ging mir durch den Kopf«, bestätigte der Schatzmeister, obwohl ihn diese verdammte Perücke noch mehr beschäftigte.
Edgar Hartang blinzelte milde und lächelte schwach. »Okay, ich verrat’s Ihnen«, sagte er und legte dabei den Kopf schräg, so daß die Perücke nach links verrutschte. »Ich habe mir nicht vorgenommen, mich zu kleiden wie sie, sondern ich gestatte ihnen, sich so zu kleiden wie ich. Rollkragenpullis gefallen mir schon immer. Sehr bequem und natürlich aus Seide. Und die Farbe paßt zu dem schwarzen Blazer. Die Knöpfe sind mein eigener Entwurf. Das Transworld-Emblem wurde draufgeprägt. Erkennen Sie ein Bäumchen?«
Der Schatzmeister betrachtete einen Knopf des Tycoons und sah etwas, das wie ein kleiner Strauch aussah. »Sehr geschmackvoll«, fuhr Hartang fort. »Und der Pulli ist natürlich aus Seide.«
Das war dem Schatzmeister bereits bekannt. »Der Blazer ist reiner Kaschmir. Dann saubere und frische weiße Strümpfe. Und für die Füße die ethnisch korrekten amerikanischen Mokassin-Schuhe, überaus bequem. Ich selbst mag das, und was gut genug für mich ist, ist auch gut genug für meine Mitarbeiter.« Wieder hielt er inne und wartete auf die Zustimmung seines Gegenübers.
»Eine wirklich nette Idee von Ihnen«, sagte der Schatzmeister, was er umgehend bereute. Edgar Hartangs Vokabular mochte seltsam eklektisch und sein Akzent nicht recht einzuordnen sein, doch fest stand, daß er Schwierigkeiten hatte, zwischen »nette Idee« und »dumme Idee« zu unterscheiden. Er nahm kurz die Brille ab, und diesmal fand der Schatzmeister seinen
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