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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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doch so wie der gestrickt war, hatte er keine Ahnung, was da auf ihn zukam. »Ich weiß zwar nicht, ob Sie einen guten Anwalt haben«, sagte der Praelector sehr leise und sehr deutlich, »aber ich glaube, wenn die Polizei eintrifft und Sie der schweren Körperverletzung, des unbefugten Betretens fremden Grund und Bodens und der mutwilligen Beschädigung eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes angeklagt werden ...«
    »Ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude? Was für ’n Scheiß reden Sie da? Was heißt’n das?« schrie Kudzuvine und versuchte sich aufzusetzen.
    »Wenn Sie das mit etwas in Ihrem Heimatland vergleichen wollen, könnte ich vielleicht die vorsätzliche Zerstörung der Unitarierkirche in Cambridge, Massachusetts, vorschlagen, in der Emerson gepredigt hat. Aber vielleicht wissen Sie ja gar nicht, wer Emerson war?«
    »Klar weiß ich, wer Emerson war. Hat das verfluchte elektrische Licht erfunden. Emerson!« Kudzuvine spie sie sozusagen an.
    Der Praelector lächelte grimmig. »Ich versuche Ihnen klarzumachen, daß wir Sie – der von Anwälten und dem Rechtssystem in Ihrem herrlichen Land etablierten Tradition folgend – wegen des Schadens verklagen werden, den Sie an einer der ältesten und wertvollsten Kapellen in Cambridge verursacht haben. Nun weiß ich zwar nicht, in welcher Höhe man uns Schadensersatz und Nebenkosten zubilligen wird, aber die englischen Gerichte folgen zunehmend dem amerikanischen Vorbild und ...«
    Er brauchte nicht fortzufahren. Die körperlichen Schäden, die Kudzuvine erlitten hatte, sanken zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Mit Schadensersatz kannte er sich aus. »Holt mir Hartang«, winselte er. »Ich brauche Hartang.« »Leider haben wir keinen da«, sagte der Kaplan. »Lapsang Suchong ja, Earl Grey ebenfalls, aber keinen Hartang. Ehrlich gesagt habe ich von dieser Sorte noch nie gehört.« Der Praelector zeigte weniger Mitgefühl. »Er bedient sich eines der ältesten juristischen Tricks der Welt. Stellt sich dumm und unzurechnungsfähig. Was ihm nicht im mindesten helfen wird. Wer auch immer sie waren, er hat diese grauenhaften Kerle ins College gebracht, wo sie fremden Grundbesitz unbefugt betreten und ungeheuren Schaden angerichtet haben. Also, wie heißen Sie noch gleich?«
    »Kudzuvine«, sagte Kudzuvine.
    »Tatsächlich? Wie die Kletterpflanze? Überaus interessant. Und Ihre Mutter hieß vermutlich Efeu«, sagte der Praelector. »Jedenfalls hatte sie irgendeinen botanischen Namen, und ich möchte wetten, daß Ihre Vorfahren aus Schweden stammen.« »Was für ’n Scheiß erzählen Sie da über den Namen meiner Mutter? Botanisch? Sie hieß Lily May. Und was soll die Schwedenkacke? Mit Schweden ham wir nix am Hut. Bin ein frei geborener Bürger der größten Super ...« »Genau. Die Vorzüge Amerikas haben wir bereits  ad   nauseam  durchgekaut, wir brauchen sie nicht noch einmal zu hören. Wie heißen Sie wirklich? Und kommen Sie uns nicht mit Alfalfa oder Kentucky Bluegrass oder sonst irgendwas Linnéschem.«
    Kudzuvine bemühte sich, auf der anderen Seite aus dem Bett zu steigen. Er war sichtlich verängstigt. Doch der Praelector hatte das Zimmer bereits verlassen.
    »Hey, Mönch, was ist los mit dem Typ?« fragte Kudzuvine den Kaplan. »Ist der immer so?«
    Offenbar dachte der Kaplan ernsthaft über diese Frage nach. »Das ist er wohl«, sagte er, »aber jetzt, wo Sie es erwähnen ... ach, ist ja egal. Er hat wohl gerade so seine Phase.« »Seine Phase? Was hat irgendeine Phase damit zu tun? Glaubt der Typ vielleicht, daß er menstruiert oder was?« »An irgend etwas wird es wohl liegen«, antwortete der Kaplan. »Das mit dem Tee tut mir überaus leid. Ich habe etwas chinesischen. Wie wäre es damit?«
    Kudzuvine wollte keinen Tee, und auf ein Produkt chinesischer Provenienz legte er auch keinen gesteigerten Wert. Doch am meisten Sorgen machte er sich um »irgend etwas«. »Was macht er in dieser Phase?« fragte er, während er sich in Richtung Tür bewegte. »Verwandelt er sich in ’n Werwolf wie Frankenstein? Wir haben mal ’n Film über solche beschissenen Wölfe gedreht. Die haben ’ne echt strenge Rangordnung, wußten Sie das?«
    »Wirklich sehr interessant«, sagte der Kaplan und stellte Kudzuvine mit einem Spazierstock ein Bein. Als der Praelector mit dem Chefpförtner und zwei Helfern zurückkam, lag er immer noch da. Er starrte auf ihre Schuhe und dunkelgrauen Hosenbeine und stöhnte.
    »Es ist wohl an der Zeit, daß er etwas Starkes

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