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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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daß ich nackt auf dem Boden lag und mich kaum bewegen konnte. Sind Sie schon mal ... ich will nicht sagen: von dieser gräßlichen Person gepflegt worden, denn ihre Pflegemethoden stammen noch aus der Zeit vor Florence Nightingale. Wissen Sie, was sie mit mir gemacht hat?«
    »Nein«, sagte der Praelector rasch, »das weiß ich nicht. Aber warum haben Sie eigentlich gesagt, Sie müßten wahnsinnig gewesen sein, als ich eben ins Zimmer kam?« »Weil«, antwortete der Obertutor überaus giftig, »weil ich glaubte, zwei große Benedictines nach einer ganzen Flasche Crusted Port in Corpus Christi – und so würde ich das verfluchte College lieber nicht nennen – brächten meinen Magen wieder auf Vordermann. Haben Sie schon mal eine ganze Flasche Crusted Port und zwei Benedictines getrunken?« Des Praelectors Miene sprach Bände.
    »Tja, lassen Sie’s lieber, kann ich nur sagen. Die Folgen würde ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen. Und welcher Volltrottel hat mir erzählt, 47 sei ein gutes Portweinjahr gewesen? Es war ein mieses, beschissenes Jahr für alles. Walfleisch und Hechtmakrele und der kälteste Winter, den man sich vorstellen kann ... Wenn noch einmal jemand in meiner Gegenwart 1947 erwähnt ...«
    Als der Obertutor noch ein Schlückchen Fleischbrühe trank, ergriff der Praelector die Gelegenheit beim Schöpf, auf die er gewartet hatte. »Da wir gerade von kleinen Problemen sprechen«, setzte er an und verstummte wieder. Der Obertutor hatte gewürgt. »Klein? Kleine Probleme? Sie kommen hier rein und erzählen mir etwas von kleinen Problemen. Das ist das schlimmste Problem ...« Er gab es auf, und der Praelector fuhr fort. »Ich rede von Kudzuvine und dem Schaden, den er an der Kapelle angerichtet hat.« Er verstummte. Der Obertutor sah schon wieder gemeingefährlich aus.
    »Der Anführer dieser Gaunerbande nennt sich Mr. Kudzuvine«, erklärte der Praelector.
    Offensichtlich glaubte ihm der Obertutor nicht. »Warum?«
    wollte er wissen.
    »Ich weiß es nicht. Ich stelle das nur fest. Und ich muß dazu sagen, daß ich ihm anfangs auch nicht geglaubt habe.« »Ich glaube dem Bastard jetzt nicht. Ende und aus«, sagte der Obertutor.
    »Nun ja, nicht ganz, wie sich herausstellt«, entgegnete der Praelector vorsichtig. Der Obertutor war nicht bloß unberechenbar – nein, Unberechenbarkeit war das falsche Wort –, sondern permanent übellaunig und jähzornig. Er hatte dem Praelector sein wutentbranntes Gesicht zugewandt. »Nur weiter. Was meinen Sie mit ›nicht ganz‹? Heißt das, es kommt noch mehr?«
    »So ist es leider. Sehen Sie, als das Dach der Kapelle einstürzte ...«, fing er an.
    »Sie sind ein Lügner, ein verfluchter Lügner«, schrie der Obertutor. »Sie kommen hier rein und machen sich mutwillig daran, mich zu quälen.« Er stand von seinem Stuhl auf, wobei er sich etwas Fleischbrühe auf die Hose kippte. »Heute habe ich wer weiß wie oft aus den Fenstern geschaut, um sicherzugehen, daß diese grauenhaften Gestalten nicht da waren, und ich erblinde auch nicht aufgrund der Masturbation, derer Sie mich beschuldigen, und das Dach der Kapelle ist noch da. Es ist nicht eingestürzt.«
    »Ich habe Sie übrigens nicht der Masturbation beschuldigt. Ich dachte nur, daß ...«
    »Sie dachten? Ist das etwa keine Beschuldigung?« »Nun, wir alle denken andauernd alles mögliche, was aber noch lange nicht heißt, daß wir es auch tun. Gott allein weiß, was wäre, wenn wir es täten«, sagte der Praelector. »Um zu wissen, was ich tun würde, brauche ich keinen Gott. Das weiß ich verdammt gut selbst.« Der Obertutor ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen und verschüttete noch etwas Fleischbrühe.
    »Noch mal zum Dach. Sie haben ganz recht, es ist nicht völlig eingebrochen, doch weil diese zwielichtigen Gestalten heute morgen während der Messe drauf herumturnten, sind mehrere große Stuckteile herabgefallen – ein Wunder, daß niemand getötet wurde –, die Büste von Dr. Cox ist weg, und das Lesepult hat eine neue und recht eigenartige Gestalt angenommen.«
    »Aber das Pult ist aus massiver Bronze. Es ist ungemein stabil«, warf der Obertutor ein. »Wollen Sie andeuten, daß es verbogen ist?« Offenbar konnte er es nicht glauben. »Weniger verbogen als verdreht. Sie kennen doch den Vogel an der Vorderseite, vermutlich ein Adler? Also, der fliegt nicht mehr vorwärts, sondern macht jetzt einen Looping.« »Einen Looping? Sind Sie völlig durchgedreht? Das verfluchte Ding ist noch nie

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