Bloß keine halben Sachen: Deutschland - ein Rollstuhlmärchen (German Edition)
oder eine zu große Lücke im Pflaster ist. Also, Kunst und Kultur immer wieder gern, aber das Unterfangen muss auch von der Location her passen – man denke an die Anreise. Wenn ich für Kunst erst eine Weltreise unternehmen oder mit dem Rolli über Äcker wackeln muss, vergeht mir die Lust.
New York ist in dieser Hinsicht fantastisch! Und dafür nehme ich die weite Anreise dann auch in Kauf... Die Stadt hat die Inklusion im Blut. Das merkt man überall, auch in den Museen. Das Guggenheim-Museum zum Beispiel ist komplett durchdacht. Wenn auch unbeabsichtigt. Es ist spiralförmig konstruiert. Von ganz unten spult sich eine lang gezogene Rampe mit stetigem Anstieg bis nach ganz oben, rechter Hand kann man die Kunst bestaunen. Einfach gigantisch.
In Deutschland sind die Museen leider nicht so fortschrittlich. In Frankfurt wollte ich einmal das Filmmuseum besuchen,
was aber nicht möglich war, weil dies leider ein Museum mit Schild ist: »Behinderte müssen draußen bleiben.« Man kommt mit dem Rolli einfach nicht hinein. Treppen, soweit das Auge blicken kann.
Ganz anders war es bei den Schlumpern in Hamburg. Das ist eine Mischung aus Ausstellungshalle und Werkstatt für Künstler, in der auch Menschen mit Behinderung Kunst entwickeln und präsentieren. Solche Kunstzentren sind natürlich auf Menschen mit Handicap eingestellt, es gibt Aufzüge und jeder kann die Werke problemlos betrachten.
Im Moment verändert sich diesbezüglich zwar sehr viel, aber es bleiben immer noch viele Orte für Menschen mit Handicap versperrt. Und nicht nur die sind betroffen, sondern vielleicht auch die ältere Dame, die mit dem Rollator unterwegs ist, oder der Herr mit dem gebrochenen Knöchel, der mit seinen Krücken auch mal aus dem Haus will, um nicht ständig auf seine Wohnzimmertapete starren zu müssen. Orte der Kunst müssen meiner Meinung nach also nicht nur behinderten-, sondern auch altengerecht sein. Diese andere Bauweise käme vielen Menschen zu Gute. Das sollten Stadtplaner und Architekten bedenken. Es gibt viel zu viele Gebäude, die völlig sinnlos strukturiert sind – und damit meine ich: gar nicht. Ganz oft muss man sich, wenn man im Rollstuhl sitzt und von A nach B will, über Umwege durch Nebenräume, Küchen oder Besenkammern schlängeln. Wenn man denn überhaupt reinkommt. Eine besonders ärgerliche, weil vermeidbare Tücke barg für mich die lange Nacht der Museen in Mannheim. Ich wollte ins Reiß-Museum, aber in einer großen Nacht läuft ja hin und wieder etwas schief... Logischerweise hatte nämlich der Hausmeister schon Feierabend und – uuuups: Der hatte den Schlüssel vom Aufzug mitgenommen. »Tut uns leid! Sie können hier heute leider nicht mehr rein.« Kein Hausmeister – kein Museumsbesuch für den Sitzmann.
An Rollstuhlfahrer wird einfach zu wenig gedacht. Da ist scheinbar der Druck nicht hoch genug, weder für Konzertveranstalter
noch für den Betreiber eines sehenswerten Gebäudes noch für Museen. Und selbst die Kinos, die man ja alltäglicher besucht, sind oft nicht auf Rollstuhlfahrer eingestellt. In einem Kino in Viernheim hat man mich vor Jahren sogar mal die Treppe einfach hochgetragen, weil es keinen benutzbaren Aufzug zum Kinosaal gab. Hier muss tatsächlich noch was getan werden! Und das ist auch, wo wir gerade beim Thema sind, ein Grund, warum ich schon seit Jahren am liebsten ins Autokino fahre. Im Autokino gibt es keine Stufen. Da fährst du mit deinem Auto an die Kasse, lässt die Scheibe runter, bestellst dein Ticket und fährst gemütlich auf deinen Platz. Ob du mal aussteigst oder im Wagen sitzen bleibst, ist deine Entscheidung.
Autokinos wurden zwar nicht für Behinderte erfunden, aber für Rollifahrer sind sie ein Traum. Sie sind ein Vergnügen für beide: für Menschen mit und ohne Füße. Hier müssen keine Extrawürste gebraten werden und das ist super. Man ist als Rollstuhlfahrer einer von allen. Eben inkludiert. So macht Kino Spaß. Du sitzt in deinem fahrbaren Wohnzimmer, hast alles, was du brauchst, und musst keiner einzigen Stufe begegnen. Und wenn du alles gesehen hast, dann fährst du wieder nach Hause. So einfach ist das im Autokino, ganz unkompliziert! Vielleicht lässt sich das auch auf andere kulturelle Bereiche ausweiten?
Hin und wieder gehe ich aber trotzdem auch ins normale Kino. Mittlerweile weiß ich ja, wo ich hingehen kann. Aber selbst, wenn ich ins Kino reinkomme, bedeutet das nicht, dass auch alle Säle für mich gemacht sind. Ich war mit Annika in
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