Blow Out (German Edition)
amerikanisches Hoheitsgebiet. Es handelt sich um eine Bohrinsel in internationalen Gewässern. Etwa 280 Seemeilen nordwestlich von hier. Sie ist stillgelegt, wird aber bis zu ihrer Verschrottung weiterhin vom US- Militär bewacht.«
»Seit wann kümmert sich das Militär um den Schutz von Bohrinseln?«, fragte Carlos misstrauisch.
»Sie erzählt keinen Scheiß, Carlos«, meldete sich Nick zu Wort. »Sagt dir der Name Independence irgendetwas?«
Carlos wechselte einen raschen Blick mit María.
Jemand knallte eine Bierflasche auf den Tisch.
Alle Köpfe fuhren zu dem schmuddeligen Typen mit dem Bandana herum, der seit ihrer Ankunft kein Wort gesprochen hatte.
»La Independencia«, flüsterte Jorge mit finsterem Blick. »La isla sín tener que regresar.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Emma, ohne Jorge dabei aus den Augen zu lassen.
»Wir kennen diesen Ort«, erklärte Carlos und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. »Wir Einheimischen nennen ihn die Insel ohne Wiederkehr.«
93
Emma und Nick saßen auf dem Lehmboden vor dem Jardín de Neptuno im Schatten einer ausladenden Palme. Schweigend hing jeder seinen Gedanken nach. Emma hatte sich einen abgefallenen Palmenwedel geschnappt und spielte nervös damit herum. Die Wartezeit zog sich hin. Wie würden sich die Kubaner entscheiden? Sie waren Emmas und Nicks einzige Chance, zur Independence zu gelangen. Sollten sie ihre Hilfe verweigern, konnten Emma und Nick Leuthards Beweise in den Wind schreiben.
Nachdem sie der Grupo Existencia ihren Plan dargelegt hatten, waren sie von Carlos aufgefordert worden, vor der Kneipe zu warten, damit die Gruppenmitglieder in Ruhe über das wahnwitzige Vorhaben diskutieren konnten. Zwar war Carlos der Kopf der Gruppe, was jedoch nicht bedeutete, dass man über Entscheidungen dieses Ausmaßes nicht gemeinsam beratschlagte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit trat Carlos endlich aus dem Jardín de Neptuno hinaus auf den staubigen Platz, gefolgt vom Rest der Gruppe. Er verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust. »Wir können nichts für euch tun.«
Nick breitete die Arme aus. »Komm schon, Carlos, das kann nicht dein Ernst sein.«
»Wir haben entschieden.«
»Wenn es euch nur um Kohle geht, können wir noch was drauflegen.«
»Keine Chance, muchacho .«
»Es ist nicht das Geld, Nick«, ergriff María das Wort. »Es ist der Ort. Er ist böse. Niemand ist von dort bisher jemals lebend wiedergekommen.«
»Moment mal«, hakte Emma nach, »bedeutet das, einer von euch war schon einmal dort?«
María schüttelte den Kopf. »Du hörst nicht zu. Ich sagte, von dort kehrt niemand zurück. Vor ein paar Jahren machte das Gerücht die Runde, die Amerikaner hätten eine Bohrinsel aufgegeben. Noch in derselben Nacht brach ein Boot mit vier Fischern aus Havanna auf, um zu sehen, ob sich dort etwas Verwertbares finden ließe, was man leicht zu Geld machen kann.«
»Eine nette Umschreibung für Plünderung.«
»He, Süße, hier bei uns muss jeder zusehen, wo er bleibt, okay?«
»Sicher.«
»Man hat nie wieder von diesen Fischern gehört.« María kniff die Augen zusammen. »Man nahm an, sie seien gekentert. Am nächsten Tag aber fand man ihr Boot im Golf treibend. Von der Besatzung keine Spur. Drei Tage später versuchten zwei Männer aus Santa Cruz del Norte ihr Glück. Auch sie hat man nie wiedergesehen. Der Begriff Insel ohne Wiederkehr war geboren und verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Seitdem hat nie wieder jemand versucht, dorthin zu gelangen.«
»Ich fasse es nicht«, seufzte Nick, »ihr glaubt an Gespenstergeschichten?«
»Das sind keine Geschichten«, beharrte María. »Es sind Tatsachen.«
»Mag sein«, warf Emma ein, »aber diese Männer waren unvorsichtig, weil sie nicht ahnten, was sie auf der Independence erwartet.« Sie sah Carlos heraufordernd an. »Wir dagegen können uns entsprechend vorbereiten.«
»Die Gruppe hat entschieden«, beharrte Carlos.
»Das darf doch nicht wahr sein.« Resignierend warf Nick die Hände in die Luft.
Emma dagegen hatte nach Jorges Reaktion im Jardín de Neptuno mit dieser Entscheidung gerechnet. Und sie hatte sich etwas einfallen lassen.
Sie stand auf und klopfte sich den Staub von der Jeans. »Ihr sagt also, Geld interessiert euch in diesem Fall nicht.« Sie wechselte in ihre geschäftsmäßige Pressekonferenzstimme. »Wie ich vorhin aus eurer Unterhaltung herausgehört habe, läuft das Geschäft mit den Tauchtouristen nicht mehr so gut, nachdem halb Havanna diese lukrative
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