Blow Out (German Edition)
fröstelte sie. Wir werden alle sterben. Jorges Worte hallten in Emmas Kopf wider. Sie mochte den Kubaner mit dem Bandana nicht, aber seine offenkundige Angst vor diesem Unternehmen war zweifellos begründet. Leider blieb Emma und Nick keine andere Wahl, wollten sie die Wahrheit ans Licht bringen und gleichzeitig ihr Leben retten. Der Gedanke an das, was vor ihr lag, schnürte Emma den Magen zu. Sie hatte seit dem Morgen nichts gegessen und kaum etwas getrunken. Was, außer Übelkeit, hielten die nächsten 24 Stunden noch für sie in petto? Sie blickte hinüber zu Nick, der gemeinsam mit den anderen ein Stück weit entfernt stand. Er war in eine Diskussion mit Carlos und María vertieft, von denen Emma inzwischen wusste, dass sie kein Paar, sondern Bruder und Schwester waren. Gerne wäre Emma noch eine Weile für sich alleine geblieben, doch wollte sie sich unbedingt an den Planungen für heute Nacht beteiligen. Sie stand auf, klopfte sich den Sand vom Hintern und ging zu den anderen.
»Könnte hinhauen«, sagte Nick gerade und fuchtelte mit seiner Zigarette herum, »aber vergesst die Sperrzone nicht. Wir reden hier von einem Radius von zwei Kilometern. Genau wissen wir es nicht, aber wir müssen davon ausgehen, dass die Wachmannschaft nach wie vor ein Radargerät im Einsatz hat, dazu kommen mit Sicherheit Nachtsichtgeräte und Infrarotsensoren.«
»Ich sehe keine Alternative zu Robertos Vorschlag«, erwiderte Carlos. »Dieses Risiko werden wir eingehen müssen.«
»Sieht wohl so aus«, sagte Nick sichtlich unzufrieden und zog an seiner Zigarette.
»Von welchem Risiko redet ihr?«, fragte Emma. Eigentlich wollte sie es gar nicht hören, doch ihr war klar, dass es niemandem etwas nutzte – am allerwenigsten ihr selbst –, wenn sie hier und jetzt den Kopf in den Sand steckte.
»Roberto hat eine Idee, wie wir das Problem der Sperrzonenüberwachung lösen können«, antwortete Nick, »aber ehrlich gesagt, halte ich diesen Plan für etwas naiv.«
»Roberto kennt sich mit so etwas aus«, sagte Carlos. »Wir verarschen die US Coast Guard dreimal die Woche, und das seit Jahren, schon vergessen?«
»Was, wenn sie über Schnellboote verfügen?«
Emma fiel auf, wie angespannt Nick wirkte.
»Wir machen es so, oder wir lassen es bleiben«, bestimmte Carlos.
Emma fuhr sich durch die von Schweiß und Staub verfilzten Haare. »Was genau habt ihr vor?«
In knappen Worten erklärte Carlos ihr den Plan. Insgesamt erschien er Emma zu einfach strukturiert. Zu glatt. Sie hatte das starke Gefühl, dass Carlos ihnen etwas verheimlichte, aber es wäre unklug gewesen, ihn vor seinen Leuten darauf anzusprechen. Sie entschied abzuwarten, bis sich eine bessere Gelegenheit dazu bot, und blickte reihum. María und León würden bedingungslos tun, was Carlos verlangte. Der abwesende Roberto vermutlich ebenso. Jorge konnte zum Problem werden. Schon den ganzen Tag über sah er sie an, als würde er sie am liebsten fressen. Mit ihm wollte sie nicht alleine gelassen werden. Sie war überzeugt, Jorge würde ihr bei erstbester Gelegenheit die Kehle durchschneiden. Offenbar sah er aus unerfindlichen Gründen in ihr die Wurzel allen Übels.
»Lasst uns noch kurz beim Thema Schnellboote bleiben«, begann Nick erneut. »Denn wenn …«
»Was ändert das?«, fuhr Carlos ihm über den Mund. »Gar nichts! Kein Boot ist schneller als unsere Ventisca .«
»Vielleicht kann Tom uns weiterhelfen«, überlegte Emma.
»Inwiefern?«, fragte Nick.
»Vielleicht kann er herausfinden, ob wir mit Schnellbooten rechnen müssen.«
Sie wandte sich an María. »Würdest du mir kurz deinen Communicator ausleihen?«
»Fang auf!« María warf ihr ein vorsintflutliches Gerät zu.
»Ich halte das für keine gute Idee«, sagte Nick, »vielleicht überwachen sie seinen Anschluss.«
»Das Risiko gehe ich ein.« Sie wählte Toms Nummer aus dem Gedächtnis heraus. Das Freizeichen erklang, und sie entfernte sich einige Schritte von der Gruppe.
Das Bild einer älteren Frau erschien auf dem Display. Ihre Augen waren gerötet. Sie hatte geweint. »Ja?«
»Entschuldigung, ich glaube, ich habe mich verwählt.«
Emma wollte die Verbindung schon beenden, als die Frau sagte: »Suchen Sie meinen Tommy?«
Mit einem Mal erkannte Emma die frappierende Ähnlichkeit zwischen Tom Holyfield und dieser Frau, bei der es sich nur um seine Mutter handeln konnte. »Ähm, ich hätte gerne mit Tom gesprochen.«
Die Frau begann zu schluchzen. Ihre Lippen zitterten. »Tom … mein Tommy
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