Blow Out (German Edition)
hinweg und stellte sie am Steuerstand ab, als sei sie eine Schaufensterpuppe.
»Halt dich an den Griffen fest«, riet er ihr.
Sie nickte.
Die Wellen hatten seit Cojimar an Höhe gewonnen, und der Wind hatte aufgefrischt. Es war merklich kühler geworden. Nick gesellte sich zu ihr. Auch er war um die Nasenspitze herum etwas blass. Schweigend sahen sie zu, wie Robertos Boot sich näherte, ein schwarzer Schatten in einer rabenschwarzen Nacht. Wenig später dümpelten die beiden Katamarane eng vertäut nebeneinander auf den Wellen.
»Die Independence liegt zehn Seemeilen nordöstlich von uns«, informierte sie Carlos. »Zeit für die Schlussbesprechung, bevor wir in ihren Kontrollbereich eindringen.« Emma konnte sich vorstellen, wie der tätowierte Mann den letzten Satz dreimal pro Woche zu Touristen sagte.
»Ihr Radar hat uns längst erfasst«, meinte José Fuentes trocken.
Emma betrachtete sein von tiefen Falten zerfurchtes, mit grauen Bartstoppeln übersätes Gesicht. Fuentes trug eine verwaschene grüne Uniform und eine Militärmütze mit kurzem Schild. Ihn umgab eine durch und durch unangenehme Aura.
»Solange wir uns nicht in der Sperrzone aufhalten, interessiert das die Wachen einen Scheißdreck«, erwiderte Carlos. »Das Wetter verschlechtert sich. Navtex meldet in den nächsten Stunden ein sich verstärkendes Tiefdruckgebiet mit zunehmendem Wind. In der Spitze bis 35 Knoten. Wellenhöhe steigend auf bis zu fünf Meter.«
»Hört sich nach viel an«, flüsterte Emma Nick zu.
»Böses Omen«, murmelte Jorge, aber niemand beachtete ihn. Das heißt, jeder gab sich Mühe, ihn zu ignorieren.
»Wir kennen die Höhe der Anlandungsdocks nicht«, erklärte Carlos, »aber eins ist sicher. Die Docks sind für deutlich größere Schiffe gebaut. Wir werden mit dem Anlegen auch ohne den hohen Wellengang Probleme genug bekommen.«
»Wenn wir überhaupt so weit kommen«, sagte Jorge und spuckte aus. »Sie werden uns schon vorher abknallen. Niemand ist bisher von dort …«
»Halt die Fresse!«, fuhr ihm Carlos über den Mund. »Noch ein Wort, und ich schneide dir die Zunge heraus. Kapiert?«
Emma und Nick sahen sich an. Du meine Güte, hoffentlich waren die U-Boote da, und hoffentlich funktionierten sie auch.
Fuentes klopfte Jorge seelenruhig auf den Rücken. »Uns knallt niemand so einfach ab, camarada . Wir haben ein paar Überraschungen für die Americanos eingepackt. Zeit für die Kisten, Carlos.«
Carlos nickte María und León zu. Die beiden zogen die Stahlkisten hervor, öffneten sie, und María begann mit dem Verteilen von Kampfmessern, halbautomatischen Pistolen Kaliber neun Millimeter sowie von kurzläufigen Maschinenpistolen, die laut Fuentes aufgrund ihrer hohen Feuerdichte ideal zur Bekämpfung von Zielen auf kurze Entfernungen geeignet waren. Während die Waffen von Hand zu Hand wanderten, lief Emma ein Schauer über den Rücken. Zu guter Letzt befreite María mehrere eiförmige Handgranaten aus ihren Schaumstoffhüllen und drückte jedem der Kubaner eine davon in die Hand. Emma hielt sie eine Pistole vor die Nase. »Nimm!«
»Nein.«
»Vielleicht wirst du sie brauchen.«
»Möglicherweise. Aber selbst wenn, ich würde sie niemals benutzen. Tut mir leid.«
»Ich nehme sie«, sagte Nick und nahm María die Waffe aus der Hand. Diese zuckte mit den Schultern und reichte ihm zwei Wechselmagazine. Nick prüfte das in der Waffe befindliche Magazin. Es war randvoll. Er schob es zurück, bis es klickend einrastete.
»Woher weißt du, wie man mit so einem Ding umgeht?«, fragte Emma.
»Ich habe mich lang genug in Asien und Zentralafrika aufgehalten.«
»Aha. Jag mir nur nicht versehentlich eine Kugel durch den Kopf, hörst du? Das würde ich dir echt übelnehmen.«
Er grinste schief und steckte die Pistole vorne in seinen Hosenbund.
Carlos klatschte in die Hände. »Gehen wir den Plan ein letztes Mal durch.« Er nickte Jorge und Fuentes zu, die daraufhin zu ihnen auf die Ventisca wechselten. Roberto blieb alleine auf seinem Boot zurück. »Wenn wir auf die Insel zufahren, sollen die Amerikaner denken, sie haben es mit einer Mutprobe durchgeknallter Jugendlicher auf Speed zu tun. Alles hängt davon ab, dass wir ihnen weismachen, es handle sich nur um ein Boot, das ihnen da entgegenkommt, und nicht um zwei . Roberto, das bedeutet, du musst immer direkt neben uns bleiben. Niemals mehr als einen Meter Abstand zwischen den beiden Booten, verstanden?«
»Muy bien.«
»Die Katamarane sind schmal, und die
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