Blow Out (German Edition)
Behutsam ließ er sich nach unten gleiten, den Körper fest gegen die schrägstehende Plattform gepresst. Wäre sie nur um zehn Grad senkrechter gestanden, sein Balanceakt hätte nicht mehr funktioniert. Zwischen seinen über das Bord hinausragenden Schuhspitzen hindurch sah er die Wellen des Golfs emporbranden. Jetzt nur nicht in Panik verfallen.
Der Verbindungssteg war noch immer da, auch wenn das Heck des Hubschraubers einen Teil des Steggitters mitgerissen hatte. Wegen der nun fehlenden Umzäunung hatte sich die Entfernung zum Steg mal eben locker verdoppelt.
Trotzdem war der Sprung ihre einzige Chance.
Gefolgt von Emma, schob er sich die Plattform entlang seitwärts in Richtung des Stegs, stets darauf bedacht, den Körper so eng wie möglich gegen die Plattform zu pressen, um kein Übergewicht zu bekommen.
Er erreichte eine Stelle, die ihm geeignet erschien. Von hier aus betrachtet war sein Vorhaben purer Wahnsinn. Der Boden des Stegs lag gute fünf Meter tiefer. Er dachte daran, wie er als Kind im Freibad auf einem Fünf-Meter-Brett gestanden und sich nicht getraut hatte, hinunterzuspringen. Und jetzt musste er anstatt im Wasser auf hartem Stahl landen.
Emma, die seine Gedanken erriet, sprach ihm Mut zu: »Du schaffst das.«
»Haben wir eine Wahl?«
»Nein.«
»Denk daran, dich sofort nach der Landung seitlich abzurollen«, riet Nick ihr. »Ansonsten brichst du dir beide Beine.«
Sie nickte.
Er atmete tief durch, stieß sich mit den Händen ab und sprang.
Die Landung war wie erwartet hart. Obwohl er sich an seinen eigenen Rat hielt und sich sofort abrollte, fuhr ihm der Schmerz in sämtliche Glieder. Wenigstens war er nicht auf einer der herumliegenden Eisenstangen gelandet, die alles waren, was von der Umzäunung übriggeblieben war. Nick befühlte seine Beine. Seine Knöchel schmerzten, gebrochen aber hatte er sich nichts.
Von seinem neuen Standpunkt aus betrachtete er die schräg über dem Wasser hängende Bohrinsel, an deren Westseite sich soeben zwei orangefarbene Freifallrettungskapseln aus ihren Halterungen lösten. Wie Steine fielen sie nach unten und tauchten klatschend ins Meer ein, nur um unmittelbar darauf wie Korken wieder nach oben zu schießen und auf den Wellen zu tanzen. Das war gut. Immerhin schienen einige der Männer es in diese Rettungsboote geschafft zu haben. Sein Blick wanderte den Steg entlang hinüber zu Plattform drei. Wollten sie ebenfalls in diesen Rettungsbooten Zuflucht suchen, mussten sie zur dortigen Notleiter gelangen.
Emma sprang ihm hinterher. Auch sie landete hart und stöhnte.
»Alles okay?«, fragte er.
Sie nickte. »Wir müssen vom Steg runter. Wenn die Hauptplattform untergeht, wird sie den Steg mitreißen.«
»Ja. Auf Plattform drei sollten wir fürs Erste in Sicherheit sein. Außerdem sind Rettungsboote unterwegs.«
Sie rappelte sich auf. »Okay.«
»Das …«, begann Nick, doch weiter kam er nicht. Grauenvolle Schmerzen schossen durch seinen Körper, als hätte ihn ein Blitz getroffen. Sein Gesicht verzerrte sich grotesk, und ein verzweifeltes Gurgeln drang aus seiner Kehle. Zuckend ging er zu Boden, die Glieder unnatürlich versteift.
»Nick!«, hörte er Emma schreien.
»Nicht so schnell, Sweetheart«, ertönte eine ihm inzwischen vertraute wie verhasste Stimme. »Wir sind noch nicht fertig miteinander.«
122
Sie traute ihren Augen nicht.
Donovan hing mit dem Oberkörper über dem abgebrochenen Rand des Stegs und zielte mit einem Taser auf sie. Wie zum Teufel hatte er es geschafft, dem brennenden Hubschrauber zu entkommen?
Er kletterte auf den Steg, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und kam langsam auf sie zu. Sein zerrissenes Jackett flatterte im Wind. Den Taser, mit dem er Nick niedergestreckt hatte, hielt er im Anschlag.
Mit der freien Hand befühlte er seine untere Gesichtshälfte. »Du Miststück hast mir den Kiefer gebrochen.«
»Es ist vorbei«, erwiderte sie und zeigte auf die halb im Wasser hängende Plattform. »Die Wahrheit lässt sich nicht ewig verbergen. Begreifen Sie das endlich.«
Donovan lachte aus vollem Hals.
»Sieh dich um, Sweetheart, außer uns ist niemand mehr hier, und du willst mir weismachen, es sei vorbei? Das ist es tatsächlich, aber nur für dich und diesen Loser hier.« Er verpasste Nick einen weiteren Elektroschock.
Nicks Körper am Boden zuckte. Schaumbläschen bildeten sich um seinen Mund.
»Aufhören!«
»Das entscheide ich!«, brüllte Donovan. Seine Augen besaßen nichts Menschliches mehr.
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