Blow Out (German Edition)
Collins an die Schiebetür und sahen hinaus.
Die Independence fiel in sich zusammen. Auf ihrem Weg nach unten riss sie alles mit sich, was ihr im Weg stand. Gewaltige Luftmengen wurden aus den zerbrochenen Luken und Fensterscheiben gepresst und stiegen blubbernd auf, während das Stahlgerippe für immer in den Tiefen des Golfs von Mexiko versank. Für ein paar Sekunden verwandelten die Luftblasen das Meer in einen brodelnden Kochtopf. Dann herrschte von jetzt auf gleich nur noch gespenstische Stille.
Wo sich vor wenigen Minuten noch der einstige Stolz der USA aus dem Meer erhoben hatte, zogen nun schwarze Wellen ungehindert gen Westen. Auf ihnen tanzten zwei orangefarbene Rettungsboote einsam und verlassen in den Weiten des Golfs. Die Independence war endgültig Geschichte.
126
Der Hubschrauber nahm Kurs auf das Festland, und die Marines schlossen die Schiebetüren. Das Wummern der Rotoren wurde etwas erträglicher.
»Wohin fliegen wir?«, fragte Emma.
»Luftwaffenstützpunkt Eglin, Okaloosa County, Florida«, erwiderte General Quentin.
Emma und Nick setzten sich, Collins und General Quentin nahmen ihnen gegenüber Platz. Eine ganze Weile sprach keiner ein Wort. Emma dachte an Leland Franklin. War er tatsächlich auf ihrer Seite gewesen? Sie musste es erfahren.
»Sagen Sie, Mr Collins, hat Franklin Ihnen gegenüber je ein Wort über diese Angelegenheit verloren? Bitte, ich muss es wissen.«
Collins warf dem General einen fragenden Blick zu. Dieser nickte knapp.
»Ja, das hat er«, antwortete Collins.
»Ich dachte die ganze Zeit über, Franklin würde mit Donovan und dem SCS zusammenarbeiten.«
Collins kratzte sich im Nacken und schüttelte den Kopf. »Franklin und Donovan hassten sich.« Er sah sie an. »Sie dagegen, Miss Fisher, schätzte er sehr. Niemals hätte er Ihnen etwas angetan oder Sie in Gefahr bringen wollen. Auf dem Weg hierher hat Franklin mir alles anvertraut. Für den Fall …« Collins stockte. »Nun, er meinte, falls er es nicht schaffen würde, sollten Sie die ganze Wahrheit erfahren. Er meinte, dann würden Sie es verstehen.«
»Was verstehen?«
»Franklin hat Sie mit der Suche nach dieser Akte betraut, weil er der Überzeugung war, er könne sich hundertprozentig auf Sie verlassen. Er wollte nicht riskieren, dass jemand Falsches einen Blick hineinwirft und unangenehme Fragen stellt. Er dachte, Sie würden ihm in gleichem Maße vertrauen wie er Ihnen.«
»Genau das aber habe ich nicht getan«, flüsterte sie.
»Es ist jetzt nicht die Zeit, das Was-wäre-gewesen-wenn-Spiel zu spielen«, entgegnete Collins. »Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig, Miss Fisher. Ihre Motive interessieren mich nicht. Fakt ist, Sie wollten die Akte mit Hilfe Ihres Freundes der Öffentlichkeit präsentieren. Die Ironie an der Geschichte ist, Franklin selbst hatte vor, die Akte publik zu machen. Nur deswegen wollte er sie aus der Versenkung holen. Mit Ihrer Initiative haben Sie seinen Plan kräftig durchkreuzt.«
»Und das soll ich glauben?«, erwiderte sie. »Leland Franklin hat mit dieser Akte vierzig Jahre lang sein eigenes Land erpresst, und Sie behaupten, er wollte die Akte jetzt auf einmal selbst veröffentlichen? Klingt ziemlich unwahrscheinlich.«
»Franklin litt an Leberzirrhose. In den letzten Wochen und Monaten ging es ihm immer schlechter. Sein Arzt gab ihm maximal noch ein Jahr.«
»Leberzirrhose?« Emma war perplex. In letzter Zeit hatte Franklin tatsächlich sehr schlecht ausgesehen. Auch waren in den letzten Wochen in der Tat deutlich mehr Arzttermine als sonst in seinen Kalender eingetragen. Unter anderem auch am Vormittag des Tages, an dem sie ihn wegen der Akte zur Rede stellen wollte. Die Krankheit erklärte auch seine gelben Augen.
»Mit der Erkenntnis, dass es mit ihm zu Ende ging, kam der Sinneswandel«, fuhr Collins fort. »Der Leland Franklin, den Sie und ich kannten, war längst nicht mehr jener Leland Franklin, der sich damals als Regierungsbeobachter an Bord der Independence aufhielt – ein junger, eitler Mann, der nur seine Karriere im Kopf hatte und diese mit allen Mitteln und Wegen vorantreiben wollte. Der Leland Franklin der letzten Monate wollte mit all den Lügen nicht mehr leben. Er wusste nur zu gut, was Projekt Morgenröte angerichtet hatte, und er wollte reinen Tisch machen.«
Emma schwirrte der Kopf. Diese Information musste sie erst einmal verdauen. Franklin hatte vorgehabt, die Akte zu veröffentlichen, und Emma hatte ihm dabei einen Strich durch die
Weitere Kostenlose Bücher