Blow Out (German Edition)
vergessen.
»Die Party ist vorbei«, knurrte er. »Ist dein Glückstag heute.«
Er wandte sich von ihr ab und packte eilig ein paar Reiseutensilien in eine Tasche. In wenigen Stunden würde er einen alten Bekannten treffen, den er seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte und den er abgrundtief hasste.
All die Jahre über hatte er vermutet, Leland Franklin bewahre die letzte Kopie der Independence-Akte in den Räumlichkeiten der Berliner Botschaft auf. Zu Recht, wie sich nun herausstellte. Weshalb hatte Franklin sie gerade jetzt aus der Versenkung geholt? Was bezweckte dieser korrupte Hurensohn damit? Zwar hatte Donovan seinen alten Widersacher nie ganz aus den Augen verloren, doch war er mit der Zeit nachlässig geworden. Allzu bereitwillig hatte sich Donovan der Illusion hingegeben, Leland Franklin sei längst nur noch ein alter, kranker Mann und nicht mehr der gerissene Wolf im Schafspelz, der er früher gewesen war. Ein Fehler, wie Donovan jetzt erkannte. Diesmal jedoch würde Donovan es auf seine Art zu Ende bringen.
21
Das Café del Mar befand sich nur einen Straßenzug entfernt von Emmas Zwei-Zimmer-Apartment im Prenzlauer Berg. Das Innere des Cafés gefiel durch gemütliche Rattansessel, die um Marmortische mit kunstvoll geschmiedeten Eisengestellen gruppiert waren. Stechpalmen und Oleandersträuche sorgten für ein mediterranes Ambiente. Der gesamte hintere Bereich des Cafés bestand aus einer holografischen Wand, die den Besuchern vorgaukelte, sie säßen auf einer Holzterrasse direkt am Strand.
Zielstrebig steuerte Emma die Theke an.
»Hey Em!«, rief die Kellnerin freudestrahlend. »Ich dachte schon, du kommst heute nicht.«
»Hi, Ki. Ist nicht gerade meine übliche Zeit, was?«
»Kann man wohl sagen.« Kiara Kolani grinste. Sie trug perfekt sitzende Bluejeans, darüber ein enges T-Shirt mit der Aufschrift Café del Mar . Wie immer sah sie phantastisch aus. »Hast du Urlaub?«, wollte Emmas beste Freundin wissen.
Emma zögerte. »Ich habe mich krankgemeldet.«
»Oha, Frau Gewissenhaft macht blau?«
Emma zuckte mit den Achseln.
»Du siehst furchtbar aus«, bemerkte Kiara mit kritischem Blick.
»Ich habe schlecht geschlafen.«
»Dann habe ich was ganz Spezielles für dich.« Sie tätschelte Emmas Hand und zauberte dann ein leuchtend grünes Getränk auf die Theke.
»Trink das. Ein neuer Collagen-Schönheitsdrink. Schmeckt lecker nach Kiwi und hat dreimal so viel Wirkstoff wie normale Collagendrinks. Deine Krähenfüße werden es dir danken.« Sie senkte ihre Stimme. »Geht natürlich aufs Haus, aber erzähl das bloß nicht Ramón.«
Emma probierte einen Schluck. »Lecker.«
»Deine Hände zittern.«
»Wie gesagt, ich hab heute Nacht kaum ein Auge zugetan.«
»Okay, wie heißt der Typ?«
Emma schüttelte den Kopf. »Kein Typ.«
»O mein Gott, es ist eine Frau!«, rief Kiara in gespieltem Entsetzen.
»Blöde Kuh.«
»Jetzt zier dich nicht so. Was ist los, Em?«
Emma betrachtete ihre Freundin. Nur allzu gerne hätte sie Kiara ihr Herz ausgeschüttet und sie um Rat gefragt. Wie viel konnte Emma ihrer besten Freundin erzählen, ohne dabei zu viel zu verraten?
»Sagen wir, ich habe etwas gesehen, das nicht für meine Augen bestimmt war.«
»Reden wir hier von deinem Privatleben oder deinem Job?«
»Vom Job.«
»Okay, dachte ich mir. Aber etwas genauer bitte. Was hast du denn gesehen?«
»Sorry, das kann ich dir nicht sagen.«
»Na gut. aber was genau ist dein Problem?«
»Gerechtigkeit.« Emma nippte an ihrem Collagendrink. »Aber wenn ich meinen Mund aufmache, bin ich vermutlich meinen Job los.«
»Ich verstehe«, nickte Kiara. »Aber es ist schwer, dir einen Rat zu geben, ohne zu wissen, worum es geht.«
»Tut mir leid, vergiss es einfach, okay?«
»Nicht so schnell.« Kiara strich sich die Haare aus dem Gesicht und schlug ihre Beine übereinander. »Reden wir hier über Banalitäten oder eine ernste Angelegenheit? Du weißt schon, hast du zwei Kollegen dabei beobachtet, wie sie es in der Besenkammer miteinander getrieben haben, oder hast du gesehen, wie jemand ermordet wurde?«
Autsch. Nicht direkt ein Volltreffer, aber doch nah dran .
»Was ich damit sagen will«, fuhr Kiara im selben Atemzug fort, »es macht einen Unterschied, ob du etwas gesehen hast, das gegen das Gesetz verstößt, oder etwas, das nur gegen die Moral verstößt. Über Letzteres lohnt es sich nicht nachzudenken. Moral wird überbewertet.«
»Wenn es banal wäre, würde ich mir nicht so einen Kopf
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