Blow Out (German Edition)
in den Irisscanner, stutzte und drückte gegen die Eingangstür, die nur angelehnt war.
»Immer dasselbe«, schimpfte er. »Bei jeder Mieterversammlung wird auf die hohe Einbruchsquote in diesem Viertel hingewiesen, und keine Sau juckt’s.«
»Nun mach schon. Ich will endlich meine Füße hochlegen.«
War die Außenansicht schon wenig vertrauenerweckend, so besaß das Gebäude von innen die Attraktivität einer geplünderten Pharaonengrabkammer. Eine schmale Treppe führte nach oben.
»Gemütlich«, murmelte Emma, während sie hinter Nick die groben Stufen hinaufstieg.
Im ersten Stock blieb er unvermittelt stehen. Fast wäre sie gegen seinen Rücken geprallt. Vor ihnen stand der dickste Mann, der Emma jemals über den Weg gelaufen war. Der Koloss wog mindestens zweihundert Kilo und blockierte ihnen den Weg. Er schnaufte wie ein Elefant. Sein Gesicht war schweißüberströmt, und die fettigen Haare klebten ihm an Stirn und Nacken. Neben ihm lehnte ein Segway-Roller mit verstärktem, überbreitem Trittbrett an der Wand.
»Aha, der Schäfer lässt sich auch mal wieder blicken«, sagte er mit einer Stimme, die eher in einen Knabenchor gepasst hätte als zu einem Mann seiner Statur. »Ich habe mich schon gefragt, ob du überhaupt noch hier wohnst. Miete bezahlst du ja seit Monaten keine mehr.«
»Das ist nicht wahr, Sandro. Ich bin nur zwei Monate im Verzug. Du bekommst dein Geld demnächst.«
Nick machte Anstalten, sich an dem fetten Kerl vorbeizudrücken. Der verschränkte die Arme vor der Brust, wodurch er die gesamte Breite der Treppe einnahm. Nicht einmal eine Maus hätte sich jetzt noch an ihm vorbeiquetschen können.
»Verzug ist Verzug«, stellte Sandro fest.
»Ich leg eine Tafel Schokolade als Zinsen drauf, okay?«
»Du laberst Blödsinn, Schäfer.«
»Du lässt uns jetzt sofort vorbei.«
»He, Lady«, rief der Koloss über Nicks Schulter. »Ich hoffe, der Typ hier hat im Voraus bezahlt.«
Nick drückte Emma den Aktenkoffer in die Hand. Mit einer blitzschnellen Bewegung sprang er den Widerling an, packte seinen rechten Arm und drehte ihm den auf den Rücken, dann krallte er Zeige- und Mittelfinger in seine Nasenlöcher und riss ihm den Kopf nach hinten.
Der Koloss jaulte auf.
»Entschuldige dich auf der Stelle dafür«, zischte Nick ihm ins Ohr. Um seine Worte zu unterstreichen, zog er Sandros Nase weiter nach hinten.
»Scheiße!«, brüllte der Koloss. »Lass los, du Arsch!«
»Liegt an dir.«
»Scheiße, Mann, schon gut, ich entschuldige mich ja, okay? Entschuldigung, Lady. «
»Ist das in Ordnung für dich?«, wollte Nick wissen.
Emma nickte müde. Sandros Beleidigung hatte sie kaltgelassen. Wenn Nick meinte, für sie den Gentleman spielen zu müssen, dann sollte er ruhig. Sie dagegen wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach nur die Füße hochzulegen und die Augen zu schließen.
Nick gab Sandros Nase frei und klopfte seinem Vermieter auf den Rücken, als sei er sein bester Kumpel. »Geht doch. Und jetzt lass uns verdammt noch mal vorbei.«
Der Fettwanst fasste sich mit beiden Händen an die blutende Nase. »Diesmal bist du zu weit gegangen, Schäfer. In einer Woche bist du hier draußen.« Dann verschwand er schimpfend in seiner Wohnung.
Emma gab Nick den Aktenkoffer zurück. »Gratuliere, ab nächster Woche hast du keine Bleibe mehr.«
»Machst du dir deswegen etwa Sorgen? Keine Angst, bis dahin bringen wir dich schon irgendwo unter.«
»So war das nicht gemeint. Seit wann bist du so empfindlich?«
Er erwiderte nichts.
Sie erreichten den zweiten Stock.
»Ich habe dich nicht gebeten, für mich den Helden zu spielen. Du bist …«
»Still!« Er hob eine Hand, blieb abrupt stehen und spähte nach oben.
Sie folgte seinem Blick. »Was ist los?«
»Etwas stimmt nicht«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »meine Wohnungstür ist offen.«
Sie trat neben ihn, dann sah sie es auch. Die Tür stand tatsächlich einen Spaltbreit offen. Ihr Herz begann kräftiger zu schlagen. Nicht gut.
Nicks Gesichtsausdruck verriet, dass er dasselbe dachte wie sie.
Aus der Wohnung drangen Stimmen, schwer zu schätzen von wie vielen Personen. Zwischen Tür und Angel erschien ein Gesicht. Obwohl sie in zwei Jahren keine zehn Sätze miteinander gewechselt hatten, erkannte Emma den Mann sofort. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann überschlugen sich die Ereignisse.
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Der Mann mit den kupferroten Koteletten riss die Tür auf und rief jemandem in Nicks Wohnung etwas zu. Anstelle seiner
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