Blue (Horror / Mystery / Okkult) (Jake Sloburn Horrorthriller) (German Edition)
oder?« Der Junge schüttelt den Kopf. Dann stopft er den Umschlag hastig unter seinen neuen Giants -Pullover.
»Kann ich...« fragt er Mr. Sloburn, »kann ich meine Mom noch einmal sehen?«
Jake schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Ricky, aber das wäre keine besonders gute Idee. Ich denke, es ist am besten, wenn gewisse Leute hier in Port weiterhin glauben, du bist ein Opfer des großen Brands in der Papierfabrik geworden.«
Seine Stimme klingt bedauernd, trotz dieser gewissen Tonlosigkeit, die wie immer in ihr mitschwingt.
»Ich verstehe.« sagt der Junge. Bin mir nicht sicher, ob das wahr ist.
»Prächtig!« ruft Sloburn. »Dann los.«
Während der ganzen Fahrt nach Innswitch sagen wir drei kein Wort. Luci auch nicht, die lässt sich von dem Jungen kraulen und lächelt ihr zufriedenes, kleines Hundedamen-Lächeln. Aber auch sie sieht irgendwie traurig aus. Ricky liegt auf der Rückbank halb unter der Decke und hat eine Baseballkappe auf dem Kopf. Tief ins Gesicht gezogen, sodass ihn niemand von außerhalb des Wagens erkennen kann, man weiß ja nie. Wir fahren so schnell es geht aus der Stadt und benutzen dafür die hügelige Umgehungsstraße, damit sind wir zwar gut eine Stunde länger unterwegs, aber wir begegnen auch kaum anderen Autos.
Kaum haben wir Port hinter uns gelassen, sind Ricky und Luci auch schon wieder fest eingeschlafen. Und mir fällt etwas ein, das ich Jake Sloburn schon eine ganze Weile fragen will.
»Mr. Sloburn … « sage ich und weiß gar nicht so recht, wie ich am besten anfangen soll. Die letzten Tage waren ungemein turbulent .
»Ja, Sam?«
»Es ist wegen dem Anhänger, und dem … «, ich werfe einen flüchitigen Blick nach hinten. Die beiden dort schlafen tief und fest. » … und dem toten Jungen, den ich am Strand gefunden hab'.«
»Jacob Singer.«
»Ja, genau. So hieß der. Ich war sogar bei ihm zu Hause. Und da, auf dem Seaside, und auch vorher schon einmal, da hatte ich so einen merkwürdigen Traum, mitten am Tag, und Sie sind auch drin vorgekommen.«
»Visionen, Sam. Das waren Visionen. Daran war der Talisman um deinen Hals schuld. Er hat dich zu mir geführt. So, wie mich die Ölspur auf Rickys Jacke geführt hat, verstehst du? Eigentlich … « er stockt und scheint über etwas nachdenken zu müssen.
»Eigentlich hätte er Jacob Singer zu mir führen sollen, aber er hat es wohl nicht geschafft. Die Strömung.«
Dann dreht er sich zu mir um und strahlt mich fröhlich an, was ich ein wenig erschreckend finde, und nicht nur wegen diesen unsichtbaren Wäscheklammern an seinen Mundwinkeln.
»Aber jetzt habe ich ja dich, Sam Watt«, sagt er. »Das ist ein guter Tausch!«
Die Sache mit dem Job hat also einen Haken, ich hatte es doch gleich gewusst. Nix mit Telefondienst und ihn ab und zu mit der kleinen Klingel auf seinem Schreibtisch rufen. Das mit der Front hat er völlig ernst gemeint. Hier in port tobt ein Krieg, und ich stecke jetzt mittendrin. Dieser Job ist fulltime.
Ich überlege, ob ich ihm erzählen soll, was ich noch so alles in meinen Visionen gesehen habe. Dann lass ich es. Vielleicht andermal.
Als wir schließlich in Innswitch ankommen, ist es schon ziemlich dunkel, aber wir haben Glück. Es geht noch ein Nachtbus. Der Junge wird zwei Mal umsteigen müssen und ein paar Stunden später in New York sein.
Ich steige aus, schlender rüber in die Schalterhalle, kaufe die Tickets und bringe uns zwei Kaffee und eine Tüte Gummibärchen für Ricky mit. Sloburn kippt den kochend heißen Kaffee in einem Zug hinunter, dann schmatzt er genüsslich. Muss eine Speiseröhre aus Metall haben.
»Großartig, Sam!« sagt er dann und klopft mir auf die Schulter. Wenn ich so weitermache, hängt er noch ein Bild von mir im Büro an die Wand und schreibt »Angestellter des Monats« drunter. Ich nippe an meinem Kaffee, der übrigens so weit entfernt von großartig ist, wie es nur die Snack-Automaten an Busstationen
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