Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
vorgekommen. Ein lichtscheues Wesen, das nichts Gutes im Sinn
hat.
Es
war ihr freigestellt worden, eine der Mitarbeiterwohnungen auf dem Anwesen zu
bewohnen, kostenfrei versteht sich, doch sie hatte abgelehnt. Das nahmen ihr
einige ihrer Kollegen tatsächlich heute noch sehr übel. Zuerst war ihr nicht
klar gewesen, warum ihre Kollegen so reagierten, bis eine Laborhelferin ihr
einmal im Streit an den Kopf geworfen hatte, dass es nicht fair sei, dass sie
Sonderregeln genieße, sie sei schließlich nicht besser als die anderen. Ja,
aber deshalb musstest du nicht gleich mit meinem Freund ins Bett steigen .
Grimmig dachte sie an Sybille Junker, schüttelte den Gedanken jedoch gleich
wieder ab. Sie durfte den Fokus nicht verlieren. Also weiter . Als sie
den Professor zu der Wohnsituation befragt hatte, hatte er nur abgewunken und
es auf den Neid geschoben. Also hatte sie es verdrängt und war in ihrer nur 10
Minuten vom Institut entfernten Wohnung in der Besanconallee geblieben. Während
der Forschungsarbeiten hatte sie bald darauf ihren direkten Vorgesetzten kennen
und lieben gelernt. Dr. Peter Naumann war Biochemiker, Molekularbiologe und
Genforscher, außerdem war er die rechte Hand von Professor Alifonsi. Er war
charmant, intelligent, sah unverschämt gut aus und verfügte über vollendete
Manieren. Sie war beinahe ausgeflippt, als er sie das erste Mal zum Essen
einlud… Bei dem erneuten Gedanken an Peter verzog Pauline das Gesicht und
Tränen schossen ihr in die Augen. Sie wischte diese weg und versuchte, sich
weiterhin zu konzentrieren.
Sie
waren also zusammen Essen gegangen. Auf dem Grundstück der Multi Gen Pharma
versteht sich, da er dieses als hochrangiger Mitarbeiter ja nicht verlassen
durfte. Er hatte zwar eine Ausnahmegenehmigung besessen, wollte aber als
vorbildlicher Vorgesetzter keinen unnötigen Nutzen daraus ziehen. Es war ein
wenig seltsam gewesen, am Anfang. Das riesige Gelände von Multi Gen Pharma
umfasste etwa 20 Hektar, die sich teilweise bis in den Wald hinein erstreckten.
Dort gab es einen kleinen Supermarkt, einen Frisör, eine Autowerkstatt, ja
sogar eine kleine Notaufnahme. Eben alles, was man so zum Leben brauchte. Die
Multi Gen Pharma hatte sogar einen künstlichen Strand mit beheiztem Freibad
anlegen lassen. Mitten im Wald. Nichts war ihnen zu teuer gewesen, um ihre ca.
zweihundertfünfzig Mitarbeiter bei Laune zu halten.
Peter
und sie hatten beinahe zwei Jahre als Paar verbracht und sie dachte, sie wären
glücklich. Bis zu dem Tag, an dem sie ihm freudestrahlend mitgeteilt hatte,
dass sie schwanger sei. Von da an war alles anders gewesen. Er hatte plötzlich
begonnen, ihr aus dem Weg zu gehen, hatte sich verleugnen lassen und was am
allerschlimmsten gewesen war, er hatte sie betrogen. Mit einer Laborhelferin.
Sybille Junker. Der Name hatte sich in Paulines Gedächtnis eingebrannt. Sie
würde ihn nie mehr vergessen. Als die Unterleibskrämpfe bei ihr eingesetzt
hatten und sie mit dem Rettungswagen in die Klink gebracht worden war, war sie
in der zwölften Schwangerschaftswoche gewesen. Pauline hatte sich bereits im OP
befunden, als Ihre Schwester Peter endlich erreichen konnte. Wobei, ihn hatte
sie ja gar nicht erreicht. Sie war an sein Handy gegangen. Svea hatte
sie eine Weile übel beschimpft, bevor Sybille endlich aufgelegt hatte.
Die
Schwestern erzählten ihr später, dass Svea Peter eine schallende Ohrfeige zur
Begrüßung versetzt hatte. Er behauptete bis heute, die Frau habe ihm nur
Unterlagen aus dem Labor vorbeigebracht und er habe sie gebeten, den Anruf für
ihn entgegenzunehmen. Peter hatte Pauline vorgeworfen, sie würde sich von ihrer
Schwester manipulieren lassen. Dann war er einfach gegangen.
Pauline
versuchte, den Gedanken an Peter abzuschütteln. Svea . Liebevoll dachte
sie an ihre kleine Schwester. Was sie jetzt wohl gerade tat? Bestimmt suchte
sie bereits nach ihr.
Damals,
als sie ihre Schwester in die Sache mit Pro-Amin-Beta und dem
Verteidigungsministerium eingeweiht hatte, war sie sich nicht sicher gewesen,
ob es ein gute Entscheidung gewesen war, gegen die auferlegte Schweigepflicht
ihres Arbeitgebers zu verstoßen. Doch heute war Pauline froh darüber. So hatte
sie wenigstens noch eine Chance, hier lebend herauszukommen. Sie schluchzte
laut und ein Zittern durchlief ihren Körper.
Diesmal
war der Schmerz, der sie erfasste, kein physischer. Sie hatte Sehnsucht nach
denen, die sie liebte, und sie weinte um ihr totes Baby.
20
„Hallo?“, rief er atemlos
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