Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
leider warten, Süße. Ich habe
jetzt keine Zeit für so etwas. Hier hast du auch was zu essen und zu trinken.
Wir brauchen dich schließlich noch. Keinen Bock, dass du uns zu früh den Löffel
abgibst.“
Pauline
kniff die Augen zusammen und versuchte, das Gesicht des Mannes zu erkennen,
konnte jedoch wieder nur Umrisse wahrnehmen, denn der helle Strahl der
Taschenlampe traf sie direkt ins Gesicht. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“,
quetschte sie heiser hervor.
„Wer
ich bin, willst du wissen? Hab etwas Geduld. Du wirst mich bald besser kennen,
als dir lieb sein wird“. Mit diesen Worten schloss er die Tür. Klack.
Abgeschlossen. Zu. Allein.
„Nein!
Nicht! Gehen Sie nicht weg! Bitte!! Meine Schulter, Sie müssen sie einrenken!“,
rief sie verzweifelt. „Lassen Sie mir wenigstens die Taschenlampe da.“ Doch er
war bereits weg. Die Tür war unwiderruflich verschlossen und die Schritte
verhallten im Nirgendwo. Da waren sie wieder. Dunkelheit und Stille, ihre alten
Verbündeten.
Nachdem
sie eine Weile so dagesessen hatte und darüber nachdachte, wie das hier enden
würde, kam wieder Leben in ihren Körper. Langsam tastete sie nach den Decken
und wickelte sich so gut es ging darin ein. Sie probierte auch das Wasser, das
er ihr in einem Napf hingeschoben hatte. Es war lauwarm und schmeckte schal.
Das Essen rührte sie nicht an. Sie wollte nichts essen. Wer weiß, was die ihr
gegeben hatten. Pauline dachte angestrengt nach. Es mussten mindestens zwei
Entführer sein, soviel war ihr bereits klar. Aber wie viele waren da noch? Sie
fasste zusammen: Der Brutale, vor dem muss ich mich in Acht nehmen. Der
andere scheint etwas umgänglicher zu sein. Vielleicht kann ich mit ihm
verhandeln. Sie grübelte: Warum ausgerechnet ich? Was habe ich, das andere
nicht haben? Ich besitze kein Geld, keine Wertsachen…
Ihre
Gedanken kreisten weiter um das Thema. Bis ihr plötzlich der einzige Grund
einfiel, der Sinn machte: Sie wollen Pro-Amin-Beta!! Aber warum von mir? Der
Professor hätte sich besser geeignet. Er ist doch der Kopf des Ganzen. Er ist
der Einzige, der alle Ergebnisse kennt. Streng dich an, Pauline. Irgendetwas
muss dir doch einfallen. Denk scharf nach. Was weißt nur du über Pro-Amin-Beta? Sie begann, nochmals alles durchzugehen.
Pro-Amin-Beta
war vor knapp fünf Jahren von einem Kollegen, Jacek Pajak, den sie allerdings
nie kennengelernt hatte, zusammen mit Professor Alifonsi entwickelt worden.
Jacek war kurz darauf bei seinem ersten Gleitschirmflug vom Schauinsland
abgestürzt und ums Leben gekommen. Leider hatte er anscheinend keine
Aufzeichnungen über seine Forschungsergebnisse bezüglich des Gegenmittels,
hinterlassen und Professor Alifonsi musste von vorne beginnen.
Als
sie bei Multi Gen Pharma anfing, hatte sie dann, gemeinsam mit Peter Naumann,
weiter an einem Gegenmittel gearbeitet. Peter! Schnell verdrängte
Pauline den Gedanken an ihn. Sie musste sich konzentrieren. Kurz nach dem
Unfall hatte der Professor die alleinige Leitung für dieses Projekt übernommen.
Nicht lange danach hatte er sie ans Institut geholt. Zu Anfang hatte sie
selbstverständlich noch keine Sicherheitsstufe erhalten und war bis zu dem
Zeitpunkt auch noch nie mit irgendetwas Schlimmerem als Hustensaft und
Impfstoffen in Kontakt gekommen. Sie war sich damals nicht einmal sicher
gewesen, dass es dieses ominöse Projekt überhaupt gab. Das Einzige, was sie zu
dem damaligen Zeitpunkt sicher wusste, war, dass da noch ein „Leben unter ihr“
existierte. Sozusagen. Manche der Kollegen verbrachten ihre gesamte Zeit da
unten.
Sie
selbst hatte sich allerdings nie darum gekümmert, denn sie war ganz zufrieden
gewesen, überhaupt eine Stelle bei Multi Gen ergattert zu haben. Sie hatte also
nur ein bisschen über die Wirkung von Hustensaft auf Föten und solche Dinge
geforscht. Nichts Weltbewegendes, bis eines Tages ihr Chef und langjähriger
Leiter des Konzerns, Professor Dr. Lanzo Alifonsi, auf sie zugekommen war und
sie fragte, was sie von einer Beförderung hielte. Pauline war es unglaublich
erschienen, dass ausgerechnet sie diejenige sein sollte, die hier mitmachen
durfte. Neugierig hatte sie das Angebot angenommen. Nach und nach hatte sie im
Verlauf die folgenden Sicherheitsstufen erhalten, was bedeutete, dass auch sie
selbst nun viel Zeit unter Tage verbrachte, und in den dunklen unterirdischen
Gängen des Labors herumschlich.
Oft
war sie sich dabei wie ein Vampir oder ein anderes unheimliches Geschöpf der
Dunkelheit
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