Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
Lehrerzimmer durch. Ein großer, schlanker,
dunkelhaariger Mann mit einem dichten Vollbart kam ihnen entgegen. „Guten Tag,
kann ich Ihnen helfen?“ Sie wiesen sich aus und der Bärtige stellte sich ihnen
als Viktor Bratsch vor. Oberstudiendirektor und Schulleiter. Betroffen hörte er
sich an, was Beate zu erzählen hatte. „Ja, ich habe schon davon gehört. Sehr
tragisch. Natürlich kannte ich Frau Hölderlin. Ich kenne alle meine Lehrkräfte
persönlich. Sie war eine engagierte junge Frau. Sehr beliebt bei ihren Schülern
übrigens. Sie war sogar Vertrauenslehrerin der achten Klasse. Ständig kämpfte
sie für oder gegen irgendetwas. Für mehr Lehrkräfte, gegen Mobbing, für mehr
Unterstützung der schwächeren Schüler und so weiter. Engagiert. Wie ich bereits
sagte.“ Er machte eine Pause. Leander nutzte diese und ignorierte wieder
einmal seine Anweisungen, sich aus den Befragungen herauszuhalten. „Wissen Sie,
ob es in letzter Zeit Streit mit jemandem gegeben hat?“ Der Direktor zog die
buschigen schwarzen Augenbrauen hoch. „Nein, keine Ahnung. Tut mir leid. Wie
gesagt, sie war sehr beliebt. Aber natürlich lebte sie nicht in einem Vakuum.
Selbstverständlich kommt es mal zu kleineren Streitereien unter Kollegen.“
„Mit
wem genau?“, forderte Leander zu wissen.
Eigentlich
macht er das ganz gut , fand Beate
und sie beschloss, ihn weitermachen zu lassen.
„Na
ja, also es gibt da einen Kollegen, Dr. Gregor Hausermann, Fachbereich Biologie
und Chemie, mit dem gab es schon ab und zu Querelen. Worum es dabei genau ging,
kann ich aber nicht sagen. Nichts Ernstes auf jeden Fall. Sonst wären sie zu
mir gekommen. Ich habe nur Gerüchte gehört.“
„Bitte,
erzählen Sie. Ich liebe Gerüchte“, wieder Leander, der die Fragen stellte.
Viktor Bratsch seufzte. „Also gut. Wenn es für Sie so wichtig ist. Herr
Hausermann hat eine Schülerin, Helene Seibold. Sie wird angeblich von ihren
Mitschülern gehänselt. Mobbing ist ja wohl der moderne Begriff hierfür, und sie
hat sich Hilfe suchend an Frau Hölderlin gewandt. Die hat auch prompt reagiert,
wollte so eine Art Anti-Mobbing-Runde mit der Klasse starten. Herr Hausermann
hält aber nichts von solchen Sachen und hat der Klasse untersagt, da
mitzumachen. Er beabsichtigte, es auf seine Weise zu klären. Das ist sein gutes
Recht, schließlich war es ja seine Klasse. Frau Hölderlin wollte sich aber
nicht damit abfinden und hat diese Runde trotzdem veranstaltet. Na, Sie können
sich ja vorstellen, was da los war.“
Beate
unterbrach seinen Redefluss schließlich. „Und? Hat es funktioniert?“ Erstaunt
sah der Direktor sie an. „Natürlich hat es das. Frau Hölderlin wusste genau,
was sie tat. Es wurmt Dr. Hausermann heute noch“, kicherte er in sich hinein.
„Aber deswegen bringt man doch niemanden um.“
Hast
du eine Ahnung , dachte Beate bei
sich. Laut fragte sie: „Wo finden wir diesen Dr. Hausermann?“
„Er kommt zur dritten Stunde. Müsste also gleich da sein. Sie können
hier auf ihn warten.“ Er zeigte auf zwei unbequem aussehende Plastikstühle
direkt vor dem Lehrerzimmer.
„Ich komme mir vor wie ein ungezogener Schüler“, grinste Beate, als
sie so nebeneinander saßen.
„Das
könnte ich nicht beurteilen. Ich habe mich niemals in einer solchen Situation
befunden.“
Leander,
du machst mich wahnsinnig! Sie
atmete tief ein und aus.
„Dieser
Streit zwischen den beiden Lehrern scheint dem Bratsch richtig Spaß gemacht zu
haben. Scheint ein echter Sonderling zu sein. Vielleicht sollten wir lieber den
im Auge behalten“, gab Leander zu bedenken.
Pünktlich
um neun Uhr fünfzehn kam ein ziemlich abgehetzt wirkender Dr. Hausermann um die
Ecke gestürmt. Leander sprang auf. Er versperrte dem Pädagogen den Weg, indem
er sich direkt vor ihn stellte. „Gestatten. Leander Drub, Kommissar. Kripo
Freiburg. Mordkommission.“ Verdutzt ergriff Hausermann die Hand und schüttelte
sie.
Die
drei unterhielten sich eine volle Stunde. Viktor Bratsch hatte ihnen sein Büro
zur Verfügung gestellt und angeboten, die Chemiestunde in der zehnten Klasse
selbst zu übernehmen. Beate konnte sich bildhaft vorstellen, zu welchen
Begeisterungsstürmen das Auftauchen des Direktors bei den Schülern geführt
haben mochte.
„Hmmm,
nicht sehr ergiebig. Der war’s nicht“, sinnierte Leander laut, als sie wieder
vor dem Schulgebäude standen.
„Woher
willst du das wissen? Er hatte ein gutes Motiv. Die Hölderlin hat ihn vor der
gesamten Schule
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