Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
er eigentlich war.
„Äh, nein. Nur eine Verabredung zum Sport mit einer Freundin.“ Beate
wurde rot. Tatsächlich hatte sie seit ihrer missglückten Beziehung die Männer
gemieden so gut es ging. Auf privater Ebene versteht sich. Aber das ging
Pfeifer nichts an.
„Ach Beate, bevor du gehst: Was ist eigentlich bei der Befragung im
Krankenhaus herausgekommen? Du weißt schon, der Hölderlin-Fall?“
„Leander
hat die Befragungen durchgeführt. Er hält sie für durchaus ergiebig. Thierry
Leclerc wurde als cholerischer, ehrgeiziger und rücksichtsloser Egozentriker
beschrieben. Einer seiner Kollegen sagte wortwörtlich sogar: „Er geht über
Leichen, wenn es sein muss. Was sagst du dazu?“
„Ich
sage immer noch, dass es zu einfach ist. Da muss noch etwas anderes sein.“
Beate dachte kurz nach und entschied sich dann, ihre Idee doch zu erwähnen: „Es
gibt eventuell noch eine zweite Spur. Die würde ich zumindest nicht
ausschließen. Es handelt sich hierbei um den Chemielehrer, Dr. Hausermann. Ein
Kollege von Tamara, ich glaube, ich habe ihn bereits erwähnt. Wenn noch einer
wissen könnte, wie Thiopental auf den Körper wirkt, dann jemand, der die Fächer
Biologie und Chemie studiert hat. So ein verletztes Ego kann Absonderliches
bewirken.“
„Wäre
möglich. Aber der Arzt kommt leichter an das Medikament ran. Behaltet den
Lehrer trotzdem im Auge. Die Idee ist nicht schlecht. Hat Leander sonst noch
etwas herausgefunden? Wie läuft es überhaupt mit euch beiden? Muss ich mir
Sorgen machen?“ Seine Kollegin schüttelte den Kopf. „Er ist ein netter Junge.
Muss noch viel lernen, kann aber durchaus eine Befragung bereits ganz gut
alleine durchführen. Ich glaube, wir sollten ihn in unsere Obhut nehmen. Dann
haben wir in ein bis zwei Jahren einen durchaus fähigen Mitarbeiter für unser
Dezernat.“ Überrascht sah Pfeifer auf. „Hast du da gerade gesagt, du willst ihn
unter deine Fittiche nehmen? Was ist denn mit der lieber allein arbeitenden
Beamtin passiert, die ich kennengelernt habe?“ Augenzwinkern.
Beate
ging nicht darauf ein, sondern berichtete weiter: „Also, Leander hat mit einer
Kollegin von Leclerc gesprochen, eine gewisse…“, sie kramte ihren Notizblock
aus ihrer Umhängetasche, „…Frau Dr. Helschmidt. Linda Helschmidt. Die sagte, dass
der gute Thierry ein echter Weiberheld sei, bei dem kein Auge trocken bleibt.
Zitat: Der legt alles flach, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Von einer
Freundin, mit der er sogar zusammen wohnen soll, wusste sie angeblich nichts.
Sie arbeitet seit zwei Jahren mit ihm zusammen. Es wäre also möglich, dass sie
mehr mitbekommen hat, als Thierry lieb ist.“ Sie warf Pfeifer einen
vielsagenden Blick zu. „Spürst du, was ich denke? Es mag vielleicht einfach
sein, aber manchmal sind es eben die einfachen Dinge im Leben, die einen ans
Ziel bringen.“
Pfeifer
musste nun unwillkürlich lachen. Er selbst hatte diesen Spruch vor einigen
Jahren eingeführt, als er Beate, frisch von der Polizeischule, übernommen
hatte. Er hatte ihr damit sagen wollen, dass man nichts unbeachtet lassen
durfte. „Du hast tatsächlich zugehört, als ich dir diesen Quatsch erzählt
habe?“ Sie schmunzelte. „Ich höre dir immer zu, das müsstest du doch so langsam
wissen.“
„Was
ist dein nächster Schritt?“, verlangte er zu erfahren. „Ich werde mir diese
Ärztin noch einmal zur Brust nehmen und natürlich unseren Freund Thierry. Ich
habe ihn für Montagmorgen acht Uhr zur Befragung einbestellt.“
„Sehr
gut“, Pfeifer nickte zufrieden.
„Außerdem habe ich zwei
seiner Ex-Freundinnen ausfindig gemacht. Die kommen am Montag ebenfalls aufs
Revier. Wenn er etwas zu verbergen hat, finde ich es heraus. Also? Ich gehe
dann jetzt mal in mein Büro. Schönen Abend, falls wir uns nachher nicht mehr
sehen. Du solltest auch mal früher nach Hause gehen. Das wird Frauke gefallen.
Lade sie zum Essen ein oder so was.“
Pfeifers
Gesichtsausdruck sprach Bände. Sie merkte sofort, dass sie hier irgendwie eine
unsichtbare Grenze überschritten hatte und verabschiedete sich eiligst. Beate!
Halte doch endlich einmal dein vorlautes Mundwerk , schimpfte sie mit sich
selbst, als sie draußen auf dem Flur stand. Hoffentlich war Pfeifer nicht
nachtragend. Seufzend machte sie sich auf den Weg nach unten.
22
Samstag, 15. Oktober 2011
„Wer ist das, Mama? Sind die
Leute tot?“ Die fünfjährige Tessa sah zu ihrer Mutter auf. Die starrte
regungslos auf das grausame Bild, das
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