Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
sollte. Aber er hatte eine Vermutung. Er fing mit Alexander Hauck an
und nahm sich dann den Fall Pauline Schirrer vor. Er starrte lange auf das Foto
von Pauline. Wo bist du? Was ist dir nur passiert? Es musste etwas geben
außer der Verbindung zu Multi Gen. Unregelmäßigkeiten, irgendetwas. Er war sich
so sicher, dass er bereit gewesen wäre, seinen gesamten Besitz darauf zu
verwetten. Sein Instinkt hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Er ging Paulines
Steckbrief noch einige Male durch. Dennoch hielt er bei ihrem Arbeitgeber kurz
inne. Multi Gen Pharma. Er sprach den Namen mehrmals laut aus. Etwas daran kam
ihm komisch vor, löste etwas in ihm aus. Nur konnte er im ersten Moment nicht
genau sagen, was es war. Plötzlich blitzte eine Erinnerung auf. Zuerst war es
nur ein Gedanke. Schwer zu fassen. Doch je intensiver er sich bemühte, ihn zu
konkretisieren, desto mehr nahm er Gestalt an. Ein Unfall mit Todesfolge, in
den einer der dort arbeitenden Ärzte verwickelt gewesen war! Wann war das noch?
Vor vier oder fünf Jahren? Er griff nach dem Hörer. Jochen wusste es ganz
sicher noch. Er vergaß nie einen Fall.
Aber es war nicht wie erwartet Jochen Struck, der sich meldete. Er
hatte einen neuen Kollegen am Apparat, der ihm mitteilte, dass sich Jochen die
nächsten Tage auf einem Lehrgang befinden würde. Pfeifer bedankte sich und
schickte eine Mail an das Archiv mit der Bitte, nach der Akte zu suchen und sie
ihm umgehend zukommen zu lassen. Einstweilen blätterte er weiter die
Vermisstenfälle durch. Kinder, Jugendliche, ältere Leute, die aus den
Altenheimen entwichen waren, und Ehepartner, die nur mal eben Zigaretten holen
gegangen waren. Nicht ein Einziger passte in das Profil, das er suchte, sie
waren entweder zu jung oder zu alt. Er seufzte tief und wollte schon eine
Kaffeepause einlegen, als er auf einen Fall stieß, der nunmehr ein Jahr zurücklag.
Dr. Sohyong Cho, ein fünfunddreißig Jahre alter koreanischer Arzt, der damals
auf einmal spurlos verschwand. Er richtete sein Augenmerk auf den Arbeitgeber
des Arztes. Multi Gen Pharma. Da brat mir einer einen Storch . Aufgeregt
las er weiter. Dr. Chos Mutter hatte bei den koreanischen Behörden eine
Vermisstenanzeige aufgegeben, als sie ihren Sohn nicht mehr erreichen konnte,
und die hatten es an die deutschen Behörden weitergeleitet. Es hatte beinahe
drei Monate gedauert, bis die Anzeige zur Freiburger Polizei gekommen war. Dr.
Cho hatte seinen Wohnsitz laut diesem Bericht auf dem Gelände der Multi Gen
Pharma gehabt. Merkwürdig genug. Seine Hände zitterten leicht vor Aufregung,
als er weitere Vermisstenfälle durchging, doch er fand nichts Interessantes
mehr. Aber das brauchte er auch nicht. Er hatte drei verschwundene Ärzte und
einen toten Arzt der Multi Gen Pharma innerhalb der letzten vier Jahre. Drei
der Ärzte waren aus dem Ausland gekommen. Das konnte doch kein Zufall sein!
Blitzartig kam ihm noch ein Gedanke. Fieberhaft scrollte er durch das Dokument,
bis er auf die Namen der zuständigen Ermittler in diesen Fällen stieß. Er
klatschte in die Hände. Frank Stein und Tom Roth! Das gibt’s doch nicht!
Wieso bin ich da nicht schon früher draufgekommen?! Ihm wurde heiß und
kalt, als er begriff, was er da gerade entdeckt hatte. Bingo! Meine Herren,
das war’s dann für Sie beide!! Sie würden einiges zu erklären haben. Jetzt
galt es nur noch eine Hürde zu nehmen. Er musste mit der Staatsanwältin
sprechen. Pfeifer druckte die Blätter aus und machte sich auf den Weg.
Verdutzt musste er jedoch feststellen, dass das Büro der
Staatsanwältin verschlossen war. Fluchend sah er auf die Uhr. Es war doch erst
vier Uhr, wo zum Teufel war sie denn? Er ging zurück zum Wagen, holte sein
Handy heraus und wählte die Privatnummer der Staatsanwältin. Nach dem fünften
Klingeln hob sie endlich ab. „Ja, Sommer?“ Unfreundlich. „Pfeifer hier. Wo
stecken Sie denn? Ich habe hier etwas und brauche Ihre Hilfe.“
„Herr Pfeifer? Sind Sie betrunken oder einfach nur irre? Ich habe
frei! Wir sind doch hier nicht beim Tatort. Rufen Sie den diensthabenden
Kollegen an. Oder kommen Sie morgen in mein Büro, und zwar zu den üblichen
Bürozeiten, dann besprechen wir alles. Oder befinden Sie sich oder jemand
anderes in einer akut lebensbedrohlichen Situation?“ Pfeifer stutze. So
aufbrausend kannte er die Staatsanwältin gar nicht. Dennoch bejahte er ihre
Frage, in dem Bewusstsein, sich Ärger einzuhandeln, und bat sie, sich jetzt
sofort mit ihm in ihrem Büro zu
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