Blüte der Tage: Roman (German Edition)
eher zu. Kommt nur hierher, um Klatsch zu verbreiten oder aufzuschnappen. Auf Frauen wie sie trifft man leider überall.«
»Wahrscheinlich haben Sie Recht.«
»Nun ja, jedenfalls hatte sie erfahren, dass ich hier wohne, quasi mit Familienanschluss, und deshalb wollte sie mich aushorchen. Ich lasse mich nicht so leicht aushorchen, ließ sie aber quatschen.«
Roz warf ihr unter dem Schirm ihrer Baseballkappe ein Grinsen zu und griff nach einer Leimkrautpflanze. »Sehr gut.«
»Ich merkte sehr schnell, dass sie eigentlich eine Neuigkeit hatte, die für Sie bestimmt war. Ich sollte nur den Überbringer spielen ... Bryce Clerk ist wieder in Memphis.«
Roz zuckte zusammen. »Ach ja?«, sagte sie sehr ruhig.
»Er wohnt derzeit im Peabody und hat wohl irgendein Geschäft am Laufen. Sie ließ sich nicht genauer darüber
aus. Sie meinte nur, er plane, auf Dauer zurückzukommen, und wolle Büroräume anmieten. Und er soll sehr wohlhabend wirken.«
»Wahrscheinlich hat er irgendeine andere Idiotin ausgenommen.«
»Sie sind keine Idiotin, Roz.«
»Kurzzeitig war ich das. Nun ja, es ist mir egal, wo er ist oder was er macht. Man verbrennt sich nicht zweimal am selben Streichholz.«
Sie setzte die Pflanze ein und griff nach der Nächsten. »Die Pflanze heißt übrigens Leimkraut wegen der klebrigen Ringe unter den oberen Knoten. Die dienen zum Fliegenfangen. Da sieht man mal wieder, dass etwas, das schön aussieht, sehr gefährlich sein kann. Oder zumindest verdammt unangenehm.«
Als Roz sich wenig später Gesicht und Hände wusch, beschloss sie, die Sache zu vergessen. Warum sollte sie sich mit einem Halunken beschäftigen, den sie aus purer Dummheit mal geheiratet hatte? Jedem Menschen standen ein paar Fehler zu, selbst wenn man sie aus Einsamkeit oder Dummheit oder, hol’s der Teufel, aus Eitelkeit beging.
Vorausgesetzt, man korrigierte die Fehler und wiederholte sie nicht.
Sie zog ein frisches T-Shirt über, strich ihr Haar zurück und musterte sich kritisch im Spiegel. Sie war nach wie vor attraktiv, und mit etwas Schminke könnte sie noch mehr aus sich machen. Es wäre kein Problem für sie, einen Mann zu bekommen – und zwar nicht wegen ihres Geldes oder Anwesens. Der gemeine Verrat von Bryce mochte ihr Selbstvertrauen vielleicht kurzzeitig erschüttert
haben, doch jetzt war sie wieder im Einklang mit sich selbst.
Sie brauchte keinen Mann, um sich vollständig zu fühlen. Das war vor Bryce so gewesen, und das war jetzt so. Sie hatte ein erfülltes Leben. Ihre Kinder waren glücklich und erfolgreich, ihr Betrieb florierte. Sie besaß ein wunderschönes Haus. Sie hatte Freunde, die sie mochten, und Bekannte, die sie tolerierten.
Und darüber hinaus war da noch ein Hausgeist, dessen Herkunft sie gerade zu entschlüsseln versuchte.
Sie strich noch einmal durch ihr Haar und ging dann in die Bibliothek hinunter, wo sie sich mit dem Rest der Truppe verabredet hatte. Als sie unten angekommen war, klopfte es an der Haustür, und sie eilte hin, um zu öffnen.
»Logan, was für eine nette Überraschung.«
»Hat Hayley Ihnen nicht gesagt, dass ich komme?«
»Nein, aber ist ja egal. Kommen Sie rein.«
»Ich habe Hayley heute in der Gärtnerei gesehen, und sie hat mich gefragt, ob ich bei der Geisterjagd nicht mitmachen will. Tja, so einem Angebot kann man nur schwerlich widerstehen.«
»Geisterjagd!«, lachte Roz. »Typisch Hayley. Ich muss Sie warnen, unsere Hayley hat eine romantische Ader, und gegenwärtig sieht sie Sie als Rochester und Stella als Jane Eyre.«
»Hilfe!«
Roz grinste. »Die liebe Jane bringt gerade die Jungs ins Bett. Gehen Sie doch einfach zu ihr hoch, in den Westflügel. Sie brauchen nur dem Lärm zu folgen. Sagen Sie ihr, sie soll sich nicht abhetzen. Wir werden uns schon beschäftigen, bis sie kommt.«
Ehe er zustimmen oder protestieren konnte, drehte sie sich um und eilte in Richtung Bibliothek.
Nein, Roz mischte sich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute ein. Aber das hieß nicht, dass sie dem Schicksal nicht hin und wieder etwas nachhalf.
Einen Moment stand Logan etwas ratlos da, zuckte dann die Achseln und machte sich auf den Weg nach oben.
Roz hatte hinsichtlich des Lärms Recht gehabt. Bereits im Treppenhaus hörte er das Gelächter, Gekreische und Getrampel. Er ging in Richtung des Krachs durch den Korridor und blieb vor der geöffneten Kinderzimmertür stehen.
Es war eindeutig ein Jungenzimmer. Obwohl es nicht ganz so unordentlich wie Logans früheres Kinderzimmer
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