Blüte der Tage: Roman (German Edition)
Schädlingsbekämpfungsmittel zur Wandseite hin. Das waren grundlegende Dinge, ohne die man nicht auskam. Die Kunden würden dafür ans Regalende gehen müssen – vorbei an den Windspielen, die sie noch aufhängen würde, und an der Gartenbank und der antik angehauchten Granitblumenschale. Zusammen mit den anderen geplanten Veränderungen würde sich alles zu einem harmonischen Ganzen verbinden; die Kunden würden gleichsam wie von selbst von den Zimmerpflanzen zu den Verandatöpfen und den Gartenmöbeln gleiten, ehe sie schließlich zu den Beetpflanzen gelangten.
Das Gartencenter würde in eineinhalb Stunden öffnen, und wenn sie Harper überredete, ihr bei den schweren Gegenständen zu helfen, könnte sie es bis dahin schaffen.
Aus dem hinteren Bereich näherten sich Schritte. Sie blies sich eine Haarsträhne aus den Augen und sagte, in der Annahme, es sei Roz oder Harper: »Ich komme ganz gut voran. Okay, bisher sieht es nach nichts aus, aber ...« Als sie den Fremden sah, brach sie ab.
Obwohl sie auf der Trittleiter stand, kam sie sich im Vergleich zu dem Mann wie ein Zwerg vor. Er musste ungefähr einen Meter neunzig groß sein und hatte einen
schlaksigen, aber durchtrainierten Körper. Er trug eine ausgewaschene Jeans, ein offenes Flanellhemd mit weißem T-Shirt darunter und abgetretene Stiefel, die jeder normale Mensch schon längst ausrangiert hätte.
Sein langes, welliges und ungekämmtes Haar hatte genau die Farbe, die Stella bei ihrem einmaligen Färbeversuch angestrebt hatte.
Er war nicht gut aussehend im üblichen Sinn. Alles an ihm wirkte rau und ungebärdig. Der gemeißelte Mund, die eingefallenen Wangen, die scharf hervorspringende Nase, der Ausdruck in seinen Augen. Seine Augen waren grün wie Kevins Augen, aber sowohl in Farbton wie Ausdruck gänzlich anders. Sie wirkten launisch und abgründig und schienen unter den dichten Brauen beinahe zu brennen.
Nein, er war weiß Gott kein hübscher Mann, wirkte aber auf seine raue, männliche Art ungemein fesselnd. Er erweckte den Eindruck, als würde ihn so schnell nichts aus der Bahn werfen.
Stella schenkte ihm ein Lächeln, während sie sich gleichzeitig fragte, wo Roz oder Harper sein mochten.
Oder sonst jemand.
»Tut mir Leid«, sagte sie. »Wir haben noch nicht geöffnet. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Oh, diese Stimme kannte er nur allzu gut. Diese nüchterne, kühle Stimme, die ihm nervtötende Nachrichten über neue Marketingstrategien und Umsatzziele hinterließ.
Er hatte erwartet, dass sie genauso aussah wie sie klang – ein sicher weit verbreiteter Irrtum, wie er annahm. Weder ihr wildes rotes Haar, das sie mit einem dämlich aussehenden Kopftuch zu bändigen versuchte, noch der
wachsame Ausdruck in den großen blauen Augen entsprachen seinem Bild der kühlen Geschäftsfrau.
»Sie haben meine verdammten Bäume umgestellt.«
»Verzeihung?«
»Ja, um Verzeihung sollten Sie allerdings bitten. Aber machen Sie das ja nicht wieder, sonst ...!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.« Den Eimer fest umklammernd – man konnte nie wissen –, stieg sie die Leiter hinunter. »Haben Sie bei uns Bäume bestellt? Wenn Sie mir Ihren Namen nennen, werde ich nachsehen, ob ich den Auftrag finde. Wir führen gerade ein neues System ein, deshalb ...«
»Ich muss hier nichts bestellen, und mit Ihrem neuen System können Sie mir gestohlen bleiben. Was, zum Teufel, tun Sie hier überhaupt? Sie bringen den ganzen Laden durcheinander.«
Seine Sprechweise hörte sich einheimisch an und sein Ton war mehr als nur unverschämt. »Ich halte es für das Beste, wenn Sie später wiederkommen. Im Winter öffnen wir um zehn Uhr. Falls Sie mir Ihren Namen hinterlassen möchten ...« Sie bewegte sich auf die Verkaufstheke zu – und zum Telefon.
»Mein Name ist Kitridge, und den werden Sie ja kennen, da Sie mich seit fast einer Woche mit Ihrem Genörgel nerven.«
»Ich weiß nicht, worüber ... Ah, Kitridge.« Sie entspannte sich wieder. »Der Landschaftsgärtner. Im Übrigen habe ich nicht genörgelt«, fuhr sie nun, da sie sich wieder gefasst hatte, in deutlich schärferem Ton fort, »sondern lediglich versucht, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, um ein Treffen zu vereinbaren. Leider hatten Sie nicht die Höflichkeit, auf meine Anrufe zu reagieren.
Ich hoffe nur, Sie benehmen sich gegenüber Kunden nicht so flegelhaft wie gegenüber Arbeitskollegen.«
»Flegelhaft? Schwester, wenn ich mich flegelhaft benehme, sieht das aber ein bisschen
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