Blüte der Tage: Roman (German Edition)
und Betteln nach mehr: »Bitte, bitte! Nur noch eine Seite!«
»Morgen wieder, denn jetzt ist es leider Zeit für Schlabberküsse.«
»Keine Schlabberküsse!« Gavin rollte sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht im Kissen. »Nein, nein!«
»Doch. Ich fürchte, da kommst du nicht daran vorbei.« Während er sich kichernd krümmte und wand, bedeckte sie seinen Hinterkopf und Nacken mit laut schmatzenden Küssen.
»Und jetzt kommt mein nächstes Opfer.« Hände reibend drehte sie sich zu Luke um.
»Warte, warte!« Abwehrend streckte er die Hand aus. »Glaubst du, mein Zahn fällt morgen raus?«
»Zeig noch mal her.« Sie setzte sich an die Bettkante und wackelte mit dem Finger vorsichtig an dem Zahn. »Gut möglich.«
»Krieg ich ein Pferd?«
»Das würde doch gar nicht unter dein Kopfkissen passen.« Sie küsste seine Stirn, die Wangen und den süßen Mund.
Lächelnd stand sie dann auf, schaltete das Licht aus und ließ lediglich das kleine Nachtlicht brennen. »Nur lustige Träume erlaubt.«
»Ich werde träumen, dass ich ein Pferd kriege, weil Träume manchmal wahr werden.«
»Ja, das ist richtig. Gute Nacht. Schlaft schön.«
Sie ging durch das Bad in ihr Zimmer und hörte durch
die offenen Türen hindurch das leise Geflüster von Bett zu Bett.
Auch das war in den letzten zwei Jahren, seit sie nur noch zu dritt waren, zum Bestandteil ihres abendlichen Rituals geworden. Ein Ritual, das fest in ihrer aller Leben verankert war. Und ihnen gut tat, dachte sie, als das Flüstern von leisem Gekicher begleitet wurde.
Irgendwann hatte sie aufgehört, Tag und Nacht um ihren Verlust zu trauern. Vielmehr war sie nun imstande, sich an dem zu freuen, was sie hatte.
Ihr Blick fiel auf ihren Laptop, der sie daran erinnerte, dass heute Abend noch Arbeit auf sie wartete. Aber jetzt wollte sie erst etwas abschalten, ihren Gedanken freien Lauf lassen. Sie ging zur Terrassentür und riss sie weit auf.
Es war noch zu kühl, um draußen zu sitzen, aber sie genoss die frische Luft, die Ruhe, die Nacht.
Man stelle sich vor, an einem Januarabend draußen zu stehen, dachte sie. Und nicht zu frieren. Entgegen dem Wetterbericht, der Regen vorhergesagt hatte, war der Himmel sternenklar. In der silbrig schimmernden Dunkelheit konnte sie eine blühende Kamelie erkennen. Blumen im Winter – das kam zu den vielen Pluspunkten hinzu, die für den Umzug in den Süden sprachen.
Die Arme vor der Brust gekreuzt, dachte sie an den Frühling, wenn die Luft warm und von Blütenduft getränkt sein würde.
Sie wollte im Frühling hier sein, wollte das Erwachen der Blumen und Pflanzen miterleben. Sie wollte diese Arbeit behalten. Bis zu Roz’ klaren Worten vor dem Abendessen war ihr gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie bereits an diesem Job hing.
Nach nicht einmal zwei Wochen war sie schon Feuer und Flamme. Vielleicht zu sehr, gestand sie sich ein. Das war schon immer ihr Problem gewesen. Was immer sie auch begann, sie musste es unbedingt durchziehen. Ihre Mutter hatte das als »Stellas Religion« bezeichnet.
Doch hier spielte noch etwas anderes mit. Sie war auch mit ihren Gefühlen dabei, und das war, wie sie wusste, ein Fehler. Sie hatte sich in diese Gärtnerei verliebt, wie auch in ihre Vision davon. Die Tische sollten vor Farben und Grün überquellen, aus den Hängekörben in den Durchgängen sollten sich Blütenkaskaden ergießen, sodass man meinte, durch einen verwunschenen Laubengang zu gehen. Die Kunden sollten staunend herumgehen und ihre Einkaufswägen bis obenhin füllen.
Und in ihren Visionen kam natürlich auch sie selbst vor, wie sie die Kunden beriet und auf jede ihrer Fragen einging. Aber sie würde sich diesbezüglich wohl oder übel in Zurückhaltung üben, da die Kundenbetreuung nicht in ihr Ressort fiel.
Dafür freute sie sich schon auf die Inbetriebnahme des neuen Computersystems und auf die Statistiken über An- und Verkauf sowie die wöchentlichen Bestandslisten.
Und ob es diesem Logan nun gefiel oder nicht, sie würde ihn an seinen jeweiligen Arbeitsstätten aufsuchen, um ein Gefühl für diesen Bereich des Unternehmens zu bekommen.
Wenn er Roz nicht vorher dazu überreden würde, sie rauszuschmeißen.
Er hatte zwar auch eine Schlappe erlitten, aber er hatte den Heimvorteil.
Wie auch immer, solange nicht alle Dinge geklärt wären,
würde sie weder effektiv arbeiten noch ihre Freizeit genießen können.
Also würde sie jetzt, unter dem Vorwand, sich einen Tee aufbrühen zu wollen, nach unten gehen.
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