Blüte der Tage: Roman (German Edition)
Idol – ein hoch talentierter und berühmter Mann. Es war seltsam anrührend, nun über den Walkman der Tochter dieses berühmten Mannes zuzuhören, die ihn als Privatperson und liebevollen Vater erlebt hatte.
Im »Trophy Room« verwandelte sich ihr Befremden über die diversen Geschmacksverirrungen schließlich in Ehrfurcht, als sie an den Wänden die zahllosen Goldenen und Platin-Schallplatten sah. Und all dies hatte er in dieser kurzen Lebensspanne erreicht.
Begleitet von Elvis-Songs aus den Kopfhörern bewunderte sie seine kunstvollen, exzentrischen Bühnenkostüme. Danach betrachtete sie mit neuen Augen seine Fotos und lauschte mit neu erwachtem Interesse den Interviewfetzen.
Wenn man mit jemandem nach Graceland geht, dachte Logan, erfährt man eine ganze Menge über ihn. Manche Besucher lästerten über die protzige und vielleicht auch geschmacklose Ausstattung. Andere wieder bekamen vor Bewunderung für den angebeteten »King« feuchte Augen. Wieder andere absolvierten lediglich ihr Touristenprogramm, um zu Hause sagen zu können, sie seien auch dort gewesen.
Stella hingegen sah sich alles genau an. Und lauschte aufmerksam den Erklärungen. Er erkannte das daran, wie sie den Kopf nach rechts neigte und konzentriert
die Stirn runzelte. Ja, er würde nicht nur fünf, sondern fünfhundert Dollar darauf wetten, dass sie den Anweisungen auf dem Band genau folgte und für jeden neuen Abschnitt zur richtigen Zeit den richtigen Knopf drückte.
Irgendwie war das süß.
Als sie nach draußen gingen, um die kurze Pilgerreise zu Elvis’ Grabstätte anzutreten, nahm sie zum ersten Mal die Kopfhörer ab.
»Ich hatte ja keine Ahnung«, begann sie. »Ich kannte nur ein paar grundlegende Fakten. Über eine Milliarde verkaufter Schallplatten! Unvorstellbar! Wie viel Arbeit und Energie hinter solch einer Leistung steckt und ... Worüber lachen Sie?«
»Ich wette, wenn Sie jetzt den Elvis-Test machen müssten, würden Sie mit Bravour bestehen.«
»Ja, ja, spotten Sie nur!«, lachte sie, wurde jedoch gleich wieder ernst, als sie mit ihm im Sonnenschein zu Elvis’ Grab im Meditation Garden ging.
Die kleine Grabstätte neben dem Swimmingpool war voller Blumen. Fotoapparate klickten, und jemand schluchzte verhalten auf.
»Es gibt etliche Leute, die behaupten, sie hätten dort drüben seinen Geist gesehen.« Logan deutete mit der Hand in die entsprechende Richtung.
»Das glauben Sie doch nicht im Ernst.«
»Nun ja, Elvis hat vor vielen Jahren das Haus verlassen.«
»Ich meine die Sache mit dem Geist.«
»Wenn er irgendwo herumspuken sollte, dann doch hier.«
Sie machten sich auf den Weg zum Shuttle-Bus. »Hier
in der Gegend scheint man mit Geistern auf sehr vertrautem Fuß zu stehen.«
Es dauerte einen Moment, bis er begriff, worauf sie anspielte. »Oh, Sie meinen die Harper-Braut. Schon gesehen ?«
»Nein. Aber das liegt wohl daran, dass sie gar nicht existiert. Oder wollen Sie mir weismachen, dass Sie Ihnen erschienen ist?«
»Damit kann ich leider nicht dienen, aber ich habe von einigen Leuten gehört, dass sie sie gesehen haben. Es gibt auch Menschen, die schwören, sie hätten Elvis zehn Jahre nach seinem Tod in einem Lokal gesehen, wo er Sandwiches mit Erdnussbutter und Banane aß.«
»Genau!« Vor lauter Begeisterung über seine Argumentation, knuffte sie ihn in den Arm. »Die Menschen sehen das, was sie sehen wollen oder was sie zu sehen gewohnt sind oder erwarten, vor allem in der entsprechenden Umgebung. Den Park könnte man besser gestalten, finden Sie nicht?«
»Wenn ich aufzähle, was man alles anders machen könnte, stehen wir noch übermorgen hier herum.«
»Sie haben Recht. Kein Fachgesimpel. Dennoch möchte ich mich bei Ihnen für diesen Ausflug bedanken. Wer weiß, wann ich mich allein dazu aufgerafft hätte.«
»Und wie ist Ihr Gesamteindruck?«
»Traurig, anrührend, faszinierend.« Sie gab der Aufsichtsperson Kopfhörer und Walkman zurück und stieg in den Bus. »Manche Zimmer waren, nun ja, sagen wir mal, sehr eigenwillig ausgestattet.«
Auf den schmalen Bussitzen stießen ihre Arme aneinander, und ihr Haar berührte seine Schulter, bis sie es zurückstrich. Er hätte es gern noch länger gespürt.
»Ich kannte mal einen Typen, der ein echter Elvis-Fan war. Er begann sein Haus in ein Graceland umzuwandeln. Besorgte sich den gleichen Stoff wie im Billardzimmer und drapierte ihn genauso wie dort an Decke und Wände.«
Belustigt sah sie ihn an. »Sie nehmen mich auf den
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