Blüte der Tage: Roman (German Edition)
Stelle gewesen war.
Noch heute dachte er gern daran zurück, wie er dieses gierige, verlogene Schwein mit einem Tritt in den Hintern aus dem Haus befördert hatte.
Seitdem war freilich viel Zeit vergangen. Abgesehen davon wohnte seine Mutter auch nicht mehr allein im Haus. Zwei Frauen und zwei Kinder waren Gesellschaft
genug, und mit ihren neuen Mitbewohnern und ihrem Betrieb war sie beschäftigter denn je.
Vielleicht sollte er sich ein eigenes Haus suchen.
Das Problem war nur, dass er gar nicht von hier weg wollte. Er liebte diesen Ort auf eine Art, wie er noch keine Frau geliebt hatte. Voller Leidenschaft, Respekt und Dankbarkeit.
Der Garten war seine Heimat, vielleicht sogar mehr als das Haus, mehr als das Cottage. Er brauchte nur zur Tür hinauszugehen, ein paar Schritte zu laufen und konnte dann seiner Arbeit inmitten einer herrlichen Umgebung nachgehen.
In der Stadt könnte er nie leben – allein schon dieser Lärm, diese vielen Menschen. Memphis war okay für einen Abend – zum Ausgehen, um sich mit einer Frau zu verabreden oder um Freunde zu treffen. Aber wenn er dort auch nur einen Monat leben müsste, würde er ersticken.
Und in den Vorstädten wollte er erst recht nicht leben. Nein, hier hatte er alles, wonach er sich sehnte: ein gemütliches, kleines Haus, großzügige Gartenanlagen, ein Gewächshaus und einen kurzen Arbeitsweg.
Er setzte sich auf den Fersen zurück und rückte seine Baseballkappe zurecht. Der Frühling nahte mit Riesenschritten. Jetzt, am späten Nachmittag, war das Licht am schönsten. Weich und sanft. Nach Sonnenuntergang würde es kalt werden, aber ohne den eisigen Hauch des Winters.
Wenn er mit dem Pflanzen fertig wäre, würde er hineingehen, sich ein Bier holen. Und sich dann nach draußen, in die kühle Dunkelheit setzen und die Einsamkeit genießen.
Er nahm ein gelbes Stiefmütterchen aus der Zellophanpackung und begann zu pflanzen.
Er hörte ihr Nahen nicht. Versunken in seine Arbeit, bemerkte er sie nicht einmal, als ihr Schatten über ihn fiel. Und ihr freundliches »Hi!« erschreckte ihn so, dass er wie von der Tarantel gestochen aufsprang.
»Tschuldigung.« Lachend strich Hayley über ihren Bauch. »Du warst in Gedanken vermutlich Lichtjahre entfernt.«
»Mm.« Schon wieder kam er sich in ihrer Gegenwart wie ein Tölpel vor. Sie stand im Gegenlicht, sodass ihr Gesicht im Schatten lag und ihr Kopf von einer Aureole umgeben war.
»Ich gehe ein bisschen spazieren. Deine Musik hat mich angelockt.« Sie nickte in Richtung der offenen Fenster. »Ich habe REM mal im Konzert erlebt. Der Wahnsinn! He, Stiefmütterchen? Die sind gerade der Renner.«
»Ähm, ja. Die mögen das kühle Wetter.«
»Ich weiß. Warum pflanzt du die hier an? Da wächst doch schon dieses Rankenzeug.«
»Clematis. Die mag es, wenn ihre Wurzeln überschattet sind. Deshalb, also ... na ja, man pflanzt gern Einjährige darüber.«
»Ah.« Sie bückte sich, um die Clematis aus der Nähe zu betrachten. »In welcher Farbe blüht die Clematis?«
»Diese hier wird purpurrot.« Er überlegte, ob schwangere Frauen sich überhaupt bücken durften. »Äh, soll ich dir einen Stuhl holen oder so?«
»Nein, nein, nicht nötig. Mir gefällt dein Haus.«
»Ja. Mir auch.«
»Inmitten dieses riesigen Gartens sieht es aus wie aus
einem Märchenbuch. Das große Haus ist wunderschön, aber auch ein wenig Furcht einflößend.« Sie zog eine Grimasse. »Versteh mich nicht falsch, ich will nicht undankbar klingen.«
»Nein. Hab schon verstanden.« Da er sich beim Pflanzen sicherer fühlte, fuhr er einfach damit fort. »Es ist ein großartiges Haus, und keine zehn Pferde könnten meine Mutter von dort wegbringen. Aber es ist in der Tat ein ziemlich imposantes Teil.«
»Ich habe eine Woche gebraucht, bis ich nicht mehr auf Zehenspitzen herumging und mich in normaler Lautstärke unterhielt. Darf ich auch eines einpflanzen?«
»Du hast keine Handschuhe. Ich kann dir –«
»Mann, etwas Dreck unter den Fingernägeln wird mich sicher nicht umbringen. Heute war eine Kundin da, die meinte, dass Gartenarbeit schwangeren Frauen Glück bringt. Hat wahrscheinlich irgendwas mit Fruchtbarkeit zu tun.«
Er wollte jetzt wirklich nicht über Fruchtbarkeit nachdenken. Das war ihm irgendwie unheimlich. »Nur zu.«
»Danke. Ich wollte dir noch etwas sagen ...« Sie begann mit dem Einpflanzen. »Na ja, mir ist klar, wie merkwürdig dir das vorkommen muss, dass da plötzlich aus dem Nichts ein schwangeres Mädchen
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