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Blüte der Tage: Roman (German Edition)

Blüte der Tage: Roman (German Edition)

Titel: Blüte der Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Zeit zuzuordnen.«
    »Hat sicher schon etliche Jahre auf dem Buckel, das Schätzchen«, kicherte David.
    »Anhand ihrer Kleidung lässt sich möglicherweise die Epoche bestimmen«, fuhr Stella mit einem strengen Blick an Davids Adresse fort. »Dann hätten wir wenigstens einen ungefähren Anhaltspunkt, wann sie gelebt hat.«
    »Gute Idee«, bemerkte Roz und nahm sich ein Plätzchen.
    »Sehr schlau«, stimmte Hayley zu. »Leider habe ich nicht darauf geachtet, was sie anhatte. Dazu blieb gar keine Zeit.«
    »Ein graues Kleid«, warf Roz ein. »Hochgeschlossen. Langärmelig.«
    »Kann jemand zeichnen?«, fragte Stella. »Ich kann den Entwurf für einen Garten skizzieren, aber bei Menschen muss ich passen.«
    »Ich denke, das kann Roz«, sagte David.
    »Was meinen Sie, Roz?«
    »Ich versuche es mal.«
    »Ich habe Notizblöcke besorgt.« Sie reichte Roz einen Block.
    Roz lächelte. »Das wundert mich nicht. Ich wette, auch die Bleistifte sind schön gespitzt. Wie am ersten Schultag.«
    »Andernfalls kann man sie ja kaum verwenden. David, während Roz zeichnet, könnten Sie uns ja Ihre Erlebnisse mit der so genannten Harper-Braut erzählen.«
    »Sie ist mir nur einige Male in der Kindheit erschienen, wenn ich bei Harper zu Besuch war.«
    »Erinnern Sie sich an das erste Mal?«
    »Das erste Mal bleibt immer unvergessen«, erwiderte er blinzelnd. Er setzte sich und schenkte sich eine Tasse
Kaffee ein. »Harper und ich lagen im Bett und taten, als würden wir schlafen. Wir unterhielten uns im Flüsterton  –«
    »Das dachtet ihr«, warf Roz ein, während sie zeichnete.
    »Ich glaube, es war im Frühjahr. Ich muss an die neun Jahre alt gewesen sein. Ich hatte Harper in der Schule kennen gelernt, und obwohl er ein Jahr jünger war, verstanden wir uns prima. Als ich das erste Mal bei ihm übernachtete, kannten wir uns erst wenige Wochen. Also lagen wir flüsternd im Dunkeln, und er erzählte mir von dem Geist. Ich dachte, er hätte das erfunden, um mich zu erschrecken, doch er schwor mir hoch und heilig, dass es stimmte und er den Geist schon oft gesehen habe.
    Wir müssen eingeschlafen sein, denn ich wurde davon wach, wie mir jemand über das Haar strich. Ich dachte, es sei Roz, und war etwas peinlich berührt. Also gab ich keinen Mucks von mir, sondern machte nur vorsichtig ein Auge auf.«
    In seine Erinnerungen versunken, nippte er an seinem Kaffee. »Und da sah ich sie. Sie ging gerade zu Harpers Bett und beugte sich über ihn, wie es eine Mutter tut, die ihr schlafendes Kind auf die Stirn küsst. Danach ging sie zu dem Schaukelstuhl am anderen Ende des Zimmers, setzte sich und sang, während sie sacht hin- und herschaukelte.«
    Er stellte die Kaffeetasse ab. »Ich weiß nicht, ob ich einen Laut von mir gab oder mich bewegte, jedenfalls sah sie mich plötzlich direkt an. Sie lächelte. Gleichwohl kam es mir vor, als würde sie unter Tränen lächeln. Sie legte den Finger vor den Mund, als wollte sie mir sagen, ich solle sie nicht verraten. Und dann verschwand sie.«
    »Wie haben Sie reagiert?«, wisperte Hayley gebannt.
    »Ich habe mir die Decke über den Kopf gezogen und mich bis zum Morgen nicht mehr gerührt.«
    »Hatten Sie Angst vor ihr?«, fragte Stella.
    »Ein sensibler Neunjähriger, der einen Geist sieht – klar habe ich mich gefürchtet. Aber die Furcht verflog. Am nächsten Morgen kam es mir wie ein Traum vor, ein schöner Traum. Sie hatte mir über das Haar gestrichen, mir vorgesungen. Und sie war hübsch. Kein Kettengerassel oder unheimliches Geheule. Sie kam mir in der Erinnerung eher wie ein Engel vor, und deshalb hatte ich keine Angst mehr. Natürlich habe ich es in der Früh sofort Harper erzählt, und er meinte, wir müssten so was wie Brüder sein, da keiner seiner Freunde sie je gesehen hätte.«
    Gedankenverloren lächelte er. »Ich war ziemlich stolz über die Auszeichnung und freute mich schon darauf, sie wieder zu sehen. Danach sah ich sie tatsächlich noch einige Male, wenn ich bei Harper übernachtete. Aber als ich dreizehn Jahre alt war, hörten die Erscheinungen – wir nannten es Besuche – schlagartig auf.«
    »Hat sie je zu Ihnen gesprochen?«
    »Nein, nur gesungen. Immer dasselbe Lied.«
    »Haben Sie sie nur nachts im Kinderzimmer gesehen?«
    »Nein. Einmal zelteten wir alle draußen. Es war ein heißer Sommerabend, schwül und voller Moskitos, aber wir bettelten so lange, bis Roz uns draußen in einem Zelt schlafen ließ. Das ging nicht lange gut, da sich Mason den Fuß an einem Stein

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