Blütenrausch (German Edition)
befand.
Mein Auto ‒ ein kleiner pinkfarbener Italiener ‒ sprang nicht an. Das war jetzt schon das zweite Mal innerhalb eines Monats. Nach mehreren Versuchen und intensivem Fluchen gab ich auf und hielt ein Taxi an. Ich gab dem Fahrer die Adresse von Frau Pot und machte es mir auf dem Rücksitz bequem. Die Strecke von Wedding bis Grunewald nutzte ich, um meine Gedanken zu sortieren. Was hatte man bisher herausgefunden? Nichts, was wirklich von Bedeutung wäre. Umso wichtiger war es, dass mir Frau Pot etwas über Sophia erzählte. Wenn sie wusste, wo sie sich aufhielt, dann würde ich in Erfahrung bringen, wo sie ihren Schrebergarten hatte. Und wenn Natalie sich wirklich so gerne dort aufgehalten hat, wie sie behauptete, dann konnte ich dort vielleicht einen Hinweis finden, der mich weiterbrachte.
» Was halten Sie von dem Spheron Gerät, das sich um die eigene Achse dreht und zur Dokumentation der objektiven visuellen Basis von relevanten Ereignisorten der Polizei benutzt wird?«, fragte der Taxifahrer plötzlich ohne Punkt und Komma. Nach geschlagenen fünf ruhigen Minuten entschied er sich auf einmal, mit einen Small Talk zu beginnen.
Ich schaute in den Rückspiegel und sah, wie er mich anlächelte. Schiefe R aucherzähne, Froschaugen und Hakennase. Typ Mittfünfziger auf der Suche. Die Frage war völlig abstrus, unverständlich und unnötig. Wahrscheinlich hatte er während einer Fahrt Teile einer Unterhaltung seiner Kunden aufgeschnappt und sie irgendwie wieder zusammengewürfelt, nur völlig falsch. Wie ein gescheiterter Forscher sah er nicht gerade aus, eher wie ein bandscheibengeschädigter ehemaliger Bauarbeiter, dem nichts anderes übrig blieb, als sein Geld mit Taxivertretungen zu verdienen. Wenn er mich mit dem falsch einstudierten Satz beeindrucken wollte, lag er komplett daneben.
Um nich t ganz unhöflich zu erscheinen ‒ vielleicht wollte er mir die Zeit im Taxi nur etwas verkürzen und dachte, ich gehöre zu der Spezies intellektuelle Blondine ‒ erwiderte ich: »Ganz in Ordnung«, und blickte gekonnt etwas gelangweilt aus dem Fenster. Wir passierten gerade Schloss Charlottenburg, und eine Gruppe Japaner wetteiferte, wer die Speicherkapazität seiner Minidigitalkameras wohl am meisten belastete.
De r Taxifahrer ließ nicht locker: »Wissen Sie überhaupt, wovon ich spreche?«
» Also, werden Sie jetzt bitte nicht frech. Natürlich weiß ich, wovon Sie sprechen. Ich glaube eher, Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen. Es handelt sich um eine Panoramakamera, die 360 Grad einer Umgebung erfasst, mit höchster Auflösung scannt und gerne von der Polizei an Tatorten benutzt wird. Und wie ich schon sagte, ich finde sie ganz in Ordnung.«
Gut, dass ich immer noch die "Kriminalistik Heute" lese. Kann mit meinem Wissen doch noch punkten.
Aus dem Rückspiegel starrte mich ein fassungsloser Taxifahrer mit offenem Mund an. Dann kriegte er sich wieder ein und setzte erneut seinen schmalzigen Blick auf. »Bulle, wa?« Diesmal versuchte er es gar nicht mit Hochdeutsch.
» Daneben, Weddingplanerin.« Ich sprach bewusst das Wort so aus, wie man es schreibt, damit der Mann, der auf mich nicht den Eindruck eines Englischversierten machte, mich verstand.
»Wat für 'ne Planerin, sagen Se?« Der Taxifahrer schien mit dem Begriff nichts anfangen zu können. Dann aber grinste er, als ob er endlich verstanden hätte: »Ach so, Sie planen etwas für den Bezirk Wedding? Sie sind so was wie eine Architektin?
» Wieder daneben. Ich bin eine Hochzeitsplanerin.«
» Wollnse mich veräppeln?«
» Nö, sehe ich so aus?«
Er beobachtete mich ein letztes Mal durch den Rückspiegel und gab auf. Aus dieser Schnecke wurde er nicht schlau und hochnäsig war sie auch noch.
Als wir ankamen, bezahlte ich und stieg erleichtert aus dem Taxi aus. Ein unangenehmer Typ. Aber so war es nun mal in einer Großstadt wie Berlin. Freundlichkeit und nette Bedienung waren Begriffe, die manchmal so rar waren, wie in einem Dschungel einem Känguruh zu begegnen.
Frau Pot lebte in einer der wohlhabendsten Gegenden Berlins. Viele der Botschaften und Botschafterresidenzen befinden sich in diesem von Wäldern, Parks und Seen umgebenen Viertel. Prächtige alte Villen mit eingezäunten Vorgärten schmücken die Straßen, und in einer solchen lebten Frau Pot und ihr Mann. Zusammen mit mindestens einer Angestellten und zwei massigen Rottweilern ‒ wie ich feststellen konnte, als sich die Tür öffnete und mir alle drei entgegenkamen.
»
Weitere Kostenlose Bücher