Blütenrausch (German Edition)
Informationen über Natalies Fall rausgerückt, aber meiner Hartnäckigkeit in Form von nervtötenden Anrufen war es zu verdanken, dass ich in den nächsten Tagen nach ihrem Tod schließlich doch über den Stand der Ermittlungen Bescheid wusste. Man hatte immer noch keinen handfesten Hinweis gefunden, der zur Aufklärung des Geschehens beigetragen hätte. Der Gerichtsmediziner wollte sich nicht einmal festlegen, ob sie getötet wurde oder ob sie sich selbst das Leben genommen hatte, wobei die Polizei von Mord ausging. Sicher war nur: Zwischen Daumen und Zeigefinger wurde ihr subkutan ein Medikamentencocktail injiziert, welcher sich langsam in ihren Körper hineinschlich und schließlich durch Herzversagen ihren Tod verursachte. Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchungen wollte mir Oliver allerdings dann doch nicht mitteilen. Das wäre zu viel Information gewesen und seiner Meinung nach ginge mich das nun wirklich nichts an.
Die betreffenden Hotelräumlichkeiten, der Park und die nähere Umgebung sowie die Wohnung der Behrings wurden gründlich abgesucht, jedoch hatte man weder Spuren noch etwas Verdächtiges gefunden. Die Zeugenbefragungen hatten nichts gebracht und die Suche nach dem mysteriösen Saxofonspieler lief fieberhaft weiter.
Während all dieser Zeit hatte ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, warum diese tragische Geschichte passiert war. Dass es kein Selbstmord war, war meiner Meinung nach anzunehmen. Soweit ich es beurteilen konnte, war Natalie nicht der Typ dazu, sich etwas anzutun. Und wenn doch, hätte sie zumindest einen Abschiedsbrief hinterlassen. Nein, das war geplant und präzise kalkuliert. Von jemandem, der ausgerechnet Natalies Hochzeit als Tatzeit und -ort ausgesucht hatte, um sie zu beseitigen. Aber warum? Hatte sie Feinde? Spielten Neid, Eifersucht eine Rolle? Und warum ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag? Weil durch die hohe Zahl der Gäste und Anwesenden im Hotel, sich die Zahl der Verdächtigen erhöhen und somit der Polizei erschweren würde, den Täter oder die Täterin zu finden? Oder hatte der Täter zugeschlagen, weil sich an jenem Tag zufällig eine günstige Gelegenheit geboten hatte, es zu tun?
Da Schul ze & Company mit ihren Ermittlungen nicht richtig weiter kamen, beschloss ich, auf eigene Faust etwas Klarheit in das Ganze zu bringen. Ich wusste, dass es mich eigentlich nichts anging, und dass ich mich in die Aufklärung des Falles nicht einmischen durfte. Aber ich konnte nicht anders. Ich hatte Blut geleckt. Und außerdem fand ich irgendwie, dass ich es Natalie schuldete.
Als ich noch Teil eines ermittelnden Teams war , konzentrierte ich mich immer ‒ sofern wir nicht schon bald wichtige Spuren besaßen, die uns sowieso zum Täter führten ‒ besonders intensiv auf das Tatmotiv. Ich spann mir meistens verschiedene Geschichten zusammen, weswegen der Täter die Tat verübt hatte. Dazu nahm ich als Erstes das unmittelbare Umfeld des Opfers unter die Lupe: Verwandte, Freunde, Kollegen ... Aber ich durchsuchte auch akribisch den Besitz des Opfers nach Hinweisen, die mir vielleicht etwas über ein mögliches Motiv erzählen konnten. Meine Ex-Kollegen hatten diesbezüglich in der Wohnung der Behrings nichts gefunden. Keine Briefe verschmähter Verehrer, keine Drohbriefe, keine heimlichen Tagebücher, kein Erpressungsmaterial, das sie selbst gegen die Stiftung, bei der sie arbeitete, in der Hand hatte. Nichts. Aber angenommen, Natalie hatte doch so etwas in der Art, ging es mir durch den Kopf, und sie hielt es versteckt ‒ vielleicht von ihrem Ehemann? ‒, wo würde sie es aufbewahren? Bei einer Freundin? Oder gab es einen Ort, zu dem sie gerne hinging? Eine Ferienwohnung an einem der unzähligen brandenburgischen Seen vielleicht? Nein, das hätte Oliver erwähnt.
Auf einmal erinnerte ich mich vage an etwas, einen Kommentar, den Natalie mir während einer unserer Besuche beim Chefkoch im Schlossrestaurant erzählte. Ich hörte nicht wirklich zu, war zu sehr auf die Besprechung konzentriert, aber etwas blieb hängen. Sie erwähnte, ihre Freundin Sophia besäße einen Schrebergarten. Dort ginge sie manchmal hin. Auch würde sie auf die Laube aufpassen, wenn Sophia nicht da war. Wäre das ein möglicher Ort, an dem Natalie etwas verstecken würde? Von dieser Laube wusste Oliver nichts, diesbezüglich war ich mir sicher, denn er hatte Natalies Ehemann gründlich über die Gewohnheiten und das Leben seiner Frau befragt, und der hatte nichts von einem Schrebergarten
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