Blütenrausch (German Edition)
hast.«
Wir verabschiedeten uns mit zwei Wangenküs schen. Seine weiche Haut auf der meinen zu spüren, versetzte mich erneut einen Augenblick in die Vergangenheit zurück.
Oliver war schon seit zwei Monaten bei uns, als er seine erste Betriebsfeier erleben durfte. Wie es in solchen Feiern immer passiert, hatten auch wir ziemlich viel getrunken. Nur Oliver nicht. Meistens stand er in einer Ecke mit einem Glas Orangensaft in der Hand und unterhielt sich mit den älteren Kollegen oder schaute uns einfach nur zu, wie wir von Glas zu Glas betrunkener wurden. Irgendwann machte ich den Versuch und forderte ihn auf, mit mir zu tanzen. Zuerst weigerte er sich mit den üblichen Floskeln, er könne nicht tanzen, Musik wäre nichts für ihn und so weiter. Doch Sturheit siegte. Ich ließ nicht locker, bis ich ihn da hatte, wo ich ihn haben wollte: auf der Piste und in meinen Armen. Nach einer langjährigen Beziehung war ich zu diesem Zeitpunkt wieder solo. Die Trauer um die Trennung war noch nicht ganz verarbeitet, aber angetrunken, wie ich war ‒ ein Zustand, in dem man sowieso alles anders wahrnimmt ‒, dachte ich mir, Oliver zu verführen, würde mir helfen, meine Wunden schneller zu heilen. Aber das entpuppte sich als eine Schnapsidee. Je enger ich mich an meinem jungen Schützling anschmiegte, desto steifer wurde seine Körperhaltung. Als es ihm zu viel wurde, gab er mir auf einmal zwei Küsschen auf die Wangen und sagte er sei müde und würde jetzt nach Hause gehen.
So wie jetzt, nur dass er diesmal bleiben, und ich diejenige war, die nach Hause gehen würde.
Sonntag
Ich brauchte eine Weile bis ich mich entschloss, Frau Pot anzurufen. Wie würde sie reagieren? Ich hatte sie seit der Beerdigung nicht mehr gesehen. Nach der Freigabe von der Leiche hatte man Natalie in aller Stille fünf Tage nach der Hochzeit auf dem Friedhof Grunewald bestattet. Das war vor zehn Tagen.
Abgesehen von unserer Begegnung am Tag der Hochzeit, hatten wir uns zuvor nur einmal gesehen. Natalie wollte, dass sie bei der Besprechung der Dekoration der Hochzeitsfeier dabei war. Sie war nicht wie viele andere Bräute genervt, wenn ein Mitglied der Familie bei den Hochzeitsvorbereitungen ein Wörtchen mitredete. Sie wollte ihre Mutter in den Hochzeitsvorbereitungen miteinbeziehen. Schließlich zahlte sie auch einen Teil des Festes. Außerdem hatten sie ein durchaus gutes Verhältnis, zumindest gewann ich diesen Eindruck bei unserem Treffen.
Die Besprechung in Natalies Wohnung verlief harmonisch und ohne Meinungsverschiedenheiten. Beide waren sich einig über die Blumen, die Farbe der Hussen und die Gastgeschenke: ein kleiner Flakon mit selbst kreiertem Parfum für die Damen und eine kleine Schachtel mit Edelpralinen für die Herren. Nach der Lieferung durfte ich ein Musterexemplar von beiden behalten. Allerdings verschwand die Praline in Bodos Magen, als er die Schachtel auf meinem Tisch entdeckte, und meine Freundin Simone fand den Flakon so niedlich, dass ich ihn ihr schließlich schenkte. Viel mehr wurde bei dem Treffen nicht besprochen, sodass ich über Frau Pot wenig Privates in Erfahrung bringen konnte. Sie schien aber sehr nett zu sein. Etwas zurückhaltend vielleicht, aber gutmütig und korrekt.
Würde sie mit mir reden?
Ich war ja nur die Hochzeitsplanerin. Nach der Hochzeit bedankte man sich bei mir, man entlohnte meine Dienste und vergaß mich. Ich war also Geschichte. Trotzdem musste ich es versuchen. Die Hochzeit ihrer Tochter war schließlich keine normale Hochzeit gewesen. Ich wollte nur nicht, dass sie durch mich zu sehr an diesen Tag erinnert wurde. Sie hatte schon genug mit den Verhören der Polizei durchgemacht.
Was mach e ich mir überhaupt für Gedanken?
Den Tag würde sie den Rest ihres Lebens nicht vergessen, ob ich anrief oder nicht, außerdem galt es hier einen Todesfall zu klären.
Etwas unwillig, weil ich es mir an diesem regnerischen Tag auf der Couch so gemütlich gemacht hatte, stand ich a uf, tapste in eine Tagesdecke eingewickelt zu meinem Arbeitszimmer und setzte mich an den Schreibtisch. Ich öffnete die Akte ˮHochzeit Pot/Behring 25.08.2012ˮ, die ich aus dem Büro mitgenommen hatte, und suchte das Blatt mit den Telefonnummern der Beteiligten heraus. Frau Pots Nummer stand an dritter Stelle nach der der Brautleute und der Handynummer von Natalie.
Bevor ich anrief, überlegte ich mir sorgfältig, was ich sagen würde.
Oliver hatte ungern
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