Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blütenrausch (German Edition)

Blütenrausch (German Edition)

Titel: Blütenrausch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mila Herbst
Vom Netzwerk:
wartete, meldete sich plötzlich mein Magen mit lauten, merkwürdigen Geräuschen. Ich fing an, zu bedauern, bei Frau Pot keinen von den leckeren Küchlein gegessen zu haben. In meiner Handtasche befand sich nichts Essbares, außer einer Packung trockener Kaugummis. Ich nahm fünf Stück zu mir, in der Hoffnung, mein Magen durch das Kauen etwas besänftigen zu können, spuckte aber gleich alles wieder raus. Die Masse war so hart und schmeckte so eklig nach Teer, dass ich beinahe würgen musste. Wie lange die Packung wohl schon in meiner Handtasche lag, konnte ich nur vermuten.
    M indestens fünfzehn Minuten wartete ich schon auf den Bus, da näherte sich ein freies Taxi. Ich überlegte nicht lange und streckte sofort die Hand aus. Als ich die Tür hinter mir schloss, tauchte ich in eine anderen Welt ein.
    Auf einmal überfiel mich das Gefühl, innerhalb von ein paar Stunden zwei Länder besucht zu haben. Nachdem ich bei Frau Pot einen Augenblick dachte, in Paris gelandet zu sein, kam es mir jetzt so vor, als befände ich mich mitten in Andalusien.
    Kleine k itschige Flamenco-Puppen waren auf dem Armaturenbrett so aufgereiht, dass sie in steifer Tanzpositur die Fahrgäste anlächelten. Am Spiegel baumelten drei geöffnete bunte Miniaturfächer und auf den Rücklehnen der vorderen Sitze klebten Dutzende von Postkarten mit Landschaften aus den verschiedensten Gebieten Südspaniens.
    Das Taxi musste e ntweder als Stierersatz herhalten, gegen den der Fahrer jeden Tag aufs Neue Kämpfe austrug, oder der Taxifahrer war gerade dabei, auf einen Kostümball zu gehen, denn er hatte die Tracht eines Toreros , eines Stierkämpfers an: weißes Hemd mit schwarzem Halsband, Jäckchen mit aufwendig eingestickten Verzierungen, eng anliegende Hosen und rosa Strümpfe. Er trug sogar den typischen schwarzen Hut mit den drei Ecken.
    Der Fahrer drehte sich um und strahlte mich an: »Guten Tag. Wo fahren wir hin?« Sein Deutsch war perfekt, nur sein Akzent verriet, dass er nicht hier aufgewachsen war.
    » Barfusstraße 14. Das ist in Wedding.«
    » Das weiß ich. Zufällig wohne ich in Wedding und kenne mich bestens in der Gegend aus.«
    Der Fahrer machte den Zähler an und fuhr los. »Stört es Sie, wenn Musik läuft?«
    » Überhaupt nicht.«
    » Ich höre gerne Musik, während ich fahre. Aber es ist nicht jedermanns Sache, also wenn die Musik zu laut ist oder Sie stört, sagen Sie es ruhig.«
    Ich nickte dem Spiege l entgegen und war über die Höflichkeit dieses Taxifahrers erstaunt. Dann klang die Musik, die mir aus einem Spanienurlaub bekannt war. Er drehte sie ziemlich laut auf, und ich traute meine Ohren nicht: rhythmische Sevillanas mit englischem Gesang.
    »Interessant, nicht wahr?«, fragte der Fahrer lächelnd, als er im Rückspiegel meinen erstaunten Gesichtsausdruck sah. »Das bin ich, mein Bruder und meine Cousine. Eigentlich sind wir Sänger, aber Sie wissen ja, wie schwierig es in dieser Branche ist. Sie sind nicht zufällig Produzentin oder so etwas in der Richtung? Ich frage jeden meiner Gäste. Man weiß ja nie, wen man hinter sich sitzen hat.«
    » Nein, tut mir leid«, antwortete ich, als ich mich wieder von dem Kulturschock erholt hatte. »Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, spanische Volksmusik auf Englisch zu singen?«
    » Ich dachte, so wäre es einfacher hier in die Charts zu kommen.«
    » Und, haben Sie es bereits geschafft?«
    » Noch nicht, aber ich bin zuversichtlich. Der Moment wird kommen.«
    Respekt . So ein Vertrauen in die eigene Sache hätte ich auch gerne .
    Ich lehnte mich entspannt zurück und versuchte dem Text zu folgen, was nicht leicht war, denn obwohl mein Englisch nicht so schlecht war, griff die Melodie die schnellen Rhythmen der spanischen Musik auf, und dies erschwerte die Verständigung.
    » Möchten Sie einen Granizado ?, fragte der nette Taxifahrer, als wir die Glienicker Brücke passierten. »Das ist ein Erfrischungsgetränk bestehend aus Zitrone, Zucker und Wasser, sehr köstlich. Meine Mutter hat es zubereitet.« Er zeigte auf eine Thermoskanne, die auf dem Beifahrersitz in einem kleinen Korb neben einem Stapel Becher verstaut war.
    Ich staunte über so lch einen Service, lehnte aber dankend ab. Auf dem Beifahrersitz lag auch ein Notebook, und da der Fahrer so nett und ich sehr ungeduldig war, wagte ich zu fragen, ob man es nicht zufällig während der Fahrt mieten könnte. Der Torero verneinte, klärte mich aber sofort auf, dass es wireless wäre, er eine Flatrate hätte, und es ihn

Weitere Kostenlose Bücher