Blütenrausch (German Edition)
nichts bemerkt, aber Frau Pot dachte wohl, sie besäße hellseherische Fähigkeiten und konnte voraussehen, was ihr Gegenüber eigentlich sagen wollte, aber nicht aussprach.
Da die Unterhaltung eine Richtung einzuschlagen drohte, die uns beide nichts mehr bringen würde, hielt ich es für das Beste, mich höfflich für den Kaffee zu bedanken und mich zu verabschieden.
Frau Pot war aber wieder einmal schneller als ich. Sie stand auf, glättete mit beiden Händen unauffällig ihren Rock und sagte: »Es war schön, dass Sie hier waren. Jetzt müssen Sie mich aber entschuldigen. Mir geht es nicht so gut und ich würde mich gerne etwas hinlegen. Maria wird Sie bis zur Tür begleiten.«
Als ich aufstand, reichte sie mir die Hand zum Abschied und wie auf Kommando erschien erneut die Haushälterin. Entweder hatte sie die ganze Zeit hinter der Tür gelauscht oder Frau Pot konnte mit ihr telepathisch kommunizieren.
Die Herrin des Hauses schritt in Zeitlupentempo in Richtung einer Schiebetür auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Bevor sie hinter der Tür verschwand, konnte ich noch einen Blick auf den Raum erhaschen, den sie soeben betrat. Das war nicht Ihr Schlafzimmer. Es sei denn, sie hatte einen riesengroßen Schreibtisch mitten im Raum und die komplette Schlafzimmerwand war mit Bücherregalen gefüllt.
Nachdem mich die Haushälterin zur Tür gebracht hatte, stand ich vor dem Haus und überlegte meinen nächsten Schritt. Vor Kurzem hatte ich mir ein Handy mit Internetzugang zugelegt, stellte aber fest, dass der Akku leer war. Mein Zweithandy ‒ Kinder würden es wohl ein Urgestein nennen: klein, hässlich, abgenutzte Tastatur ‒ trug ich als Ersatz immer noch mit mir herum, es besaß aber nicht viel mehr als eine Anruffunktion, daher würde es mir in diesem Moment nicht von Nutzen sein.
Ich war ein en Moment lang unentschlossen: Lohnte es sich, zurück nach Hause zu gehen, um dort nachzuforschen, wie Sophia mit Nachnamen hieß, oder sollte ich doch lieber gleich zum Palais Nestor fahren? Vielleicht hatte ich Glück und Sophia war zufällig dort. Keine der beiden Alternativen schien mir jedoch eine gute Lösung zu sein. Wenn ich zuhause im Netz nichts finden würde, blieb mir nichts anderes übrig, als nach Potsdam zu fahren, und das wäre von Wedding wieder ein langer Weg. Fuhr ich direkt dorthin und stünde vor verschlossenen Türen, wäre es eine Zeitverschwendung gewesen. Ich entschied mich für eine dritte Variante: ein Internet-Café in der Kantstraße. Von dort aus war es ein Katzensprung zur S-Bahn, falls ich doch noch nach Potsdam fahren wollte.
Ich lief zur nächsten Bushaltestelle und wartete auf den richtigen Bus. Es hatte aufgehört zu regnen, und sobald es die dunklen Wolken erlaubten, zeigte die Sonne ihr Gesicht. Die Busse fuhren im Zehn-Minuten-Takt, ich war jedoch weit und breit der einzige wartende Busgast. Wer sollte schon in dieser Gegend auf einen Bus warten? Hier wartete man höchstens auf ein Taxi oder, wie ich beobachten konnte, darauf, dass ein Angestellter den Jaguar aus der Garage fuhr und ihn der Dame des Hauses überreichte ‒ in diesem Fall einer Barbie mit Stilettos, die höhere Absätze hatten, als der gesunde Menschenverstand erlaubte. Ich war kurz davor die Straße zu überqueren und ihr eine Standpauke über die Gefahren solcher High Heels beim Autofahren zu halten, als ich mich besann, dass ich ja keine Polizistin mit einschüchternder Wirkung mehr war, außerdem näherte sich schon der Doppeldecker.
Kurze Zeit später stieg ich aus dem Bus und betrat das Café. Es war schon nach vier und die meisten Computer waren von spielsüchtigen Jugendlichen belagert, die, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, Chips und Cola in sich stopften, während sie irgendwelche Monster abballerten.
Der Inhaber wies mir ein en Computer ganz hinten in der Ecke zu. Ich ließ mich auf dem Stuhl nieder, öffnete Google und tippte als aller Erstes "Palais Nestor Potsdam" ein. 45.000 Ergebnisse. Das fängt ja gut an . Den Hinweis "Aktuelle Eigentümer Palais Nestor Potsdam" verkürzte die Trefferliste auf 3.678. Schließlich erhielt ich über einen Eintrag der Onlinezeitschrift Wirtschaftswelt, die gleich auf der ersten Seite erschien, einen interessanten Hinweis. Der Eigentümer des Palais war ein gewisser Peter Bradwich, ein Großer in der Finanzwelt, Besitzer vieler internationaler Unternehmen, die in der IT-Branche mitmischten. Demzufolge würde Sophia auch Bradwich heißen. Ich tippte
Weitere Kostenlose Bücher